Ist der Ausstieg aus Kern- und Kohleenergie versorgungssicher?
Studie untersucht die Auswirkungen der Energietransformation auf die Stromversorgung
Unbestritten ist, dass Energie aus fossilen Brennstoffen zügig durch volatile, grüne Energien ersetzt werden müssen. Vor allem um die Klimaziele zu erreichen, ist ein Ausstieg aus der Kohleenergie von Nöten. Auch die Kernenergie hat längst wegen ihrer Unberechenbarkeiten ausgedient. Eine Studie von JARA-ENERGY Mitglied Prof. Aaron Praktiknjo zeigt nun die Auswirkungen des Kern- und Kohleenergieausstiegs auf die Stromversorgung.
Grüner Strom, ja klar, Versorgungsunsicherheiten: Nein! So in etwa lässt sich die Haltung gegenüber der Transformation der Energieversorgung zusammenfassen. Landläufig anerkannt ist der dringende Bedarf fossile Energieträger und die damit verbundenen klimaschädlichen Emissionen zu vermeiden. Der Wechsel von herkömmlichen Energiequellen auf grüne Quellen, wie etwa Wind und Solar, soll jedoch nicht zu Versorgungsengpässen führen.
JARA-ENERGY Mitglied Prof. Aaron Praktiknjo hat nun gemeinsam mit seinem Mitarbeiter Lars Nolting eine Studie durchgeführt, die sich der Frage widmet, wie gut die Stromversorgung gesichert werden kann. Dabei haben die beiden Wissenschaftler analysiert wie groß der Bedarf und die vorhandene Versorgung mit Strom ist. In der Studie spielten die Experten Szenarien durch, in denen nach und nach Kohle- und Kernkraftwerke abgeschaltet, sowie neue volatile Energiequellen ausgebaut werden.
Ein „Go“ für den Ausstieg
Die Ergebnisse der Studie zeichnen einen positiven Ausblick. So bestehen aus der Perspektive der Versorgungssicherheit keine akute Notwendigkeit, vom geplanten Kernenergie- und Kohleausstieg abzuweichen. Das Niveau der Versorgungssicherheit werde zwar mittelfristig abnehmen, ein Abweichen von den Ausstiegspfaden sei aber aus ökonomischen Gründen nicht notwendig. „Die gesellschaftlichen Kosten von Maßnahmen zur Aufrechterhaltung des bisherigen Versorgungssicherheitsniveaus würden den damit verbundenen volkswirtschaftlichen Nutzen übersteigen“, erläutert Praktiknjo und fügt einschränkend hinzu: „Der Ausbau der Stromnetze wie auch der Zubau der erneuerbaren Energien dürfen sich allerdings nicht wesentlich verzögern.“ Insbesondere die Windenergie müsse in den nächsten fünf Jahren im eingeplanten Umfang ausgebaut werden. „Über die aktuellen Ausstiegspläne hinaus sollten allerdings vorerst keine weiteren Kraftwerke stillgelegt werden“, fügt der Energieforscher hinzu.
Mit den geplanten Stilllegungen wird statistisch an bis zu drei Stunden des Jahres der Strombedarf mittelfristig nicht mehr für alle Verbraucher vollständig gedeckt werden können. „Damit würde sich das Versorgungssicherheitsniveau in Deutschland aber lediglich an europäische Standards wie beispielsweise in Belgien, Frankreich oder den Niederlanden angleichen“, erklärt Nolting. Hierfür müsse sich Deutschland in Zukunft aber auch zunehmend auf Stromimporte aus den europäischen Nachbarländern verlassen, was allerdings aus Sicht der Aachener Energieforscher prinzipiell unproblematisch ist. „Nationale Energiepolitik sollte jedoch in Zukunft verstärkt auch auf europäischer Ebene koordiniert werden“, ergänzt Praktiknjo.
Die Ergebnisse der Studie wurden jüngst in der Fachzeitschrift Applied Energy veröffentlicht.
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