Human Brain Projekt stellt europäische Forschungsinfrastruktur vor

Aachen/Jülich - Das Human Brain Project (HBP) entwickelt eine umfassende europäische Forschungsinfrastruktur mit dem Ziel, die Organisation des Gehirns durch genaue Analysen und Simulationen zu erforschen und neurologische und psychiatrische Erkrankungen zu bekämpfen. Dazu schafft das HBP neue IT-Technologien, wie neurosynaptische Prozessoren, die sich an den Arbeitsprinzipien des Gehirns orientieren. Mit der heutigen Eröffnung der wissenschaftlichen Infrastruktur, die Forscher aus 24 Ländern in den letzten zweieinhalb Jahren aufgebaut haben, startet das Human Brain Project nun in seine nächste Phase.

Die Infrastruktur ist über verschiedene Plattformen zugänglich. Neben der Neurowissenschaft soll sie die europäische HPC- und Robotik-Entwicklung vorantreiben und die Forscherinnen und Forscher über vier große europäische Supercomputer- und Datenzentren vernetzen. Insbesondere wird sie auch Forschern, die nicht dem Projektkonsortium angehören, zur Verfügung stehen.

Wissenschaftler der Supercomputerzentren des Forschungszentrums Jülich und der ETH Zürich koordinieren den Aufbau und die Arbeit der Plattform für „High Performance Analytics and Computing“, mit deren Hilfe die gewaltigen Datenmengen, wie sie die Neurowissenschaften über das menschliche Gehirn zusammentragen, gespeichert, in Modelle integriert und in Simulationen ausgewertet werden.

Das Jülich Supercomputing Centre unterstützt die europäischen Neurowissenschaftler gemeinsam mit zwölf Kooperationspartnern in der Nutzung der Supercomputer-Ressourcen, der Speichersysteme sowie der Anwender-Software. Datenmengen in der Größenordnung von Petabytes (1015 Bytes),  zum Beispiel aus bildgebenden Verfahren wie dem Polarized Light Imaging, können auf Superrechnern wie JURECA mit Hilfe moderner Verfahren wie Deep Learning analysiert und dargestellt werden. „Anwender und Entwickler arbeiten hier ganz eng zusammen. Wir entwickeln gemeinsam mit führenden Herstellern den interaktiven Supercomputer, den man so einfach wie ein Laptop nutzen kann und der ein entscheidendes wissenschaftliches Instrument für ´in silico`-Experimente an virtuellen menschlichen Gehirnen ist“, sagt Prof. Thomas Lippert, Mitglied von JARA-HPC, Direktor des JSC und, zusammen mit Prof. Thomas Schulthess (ETH Zürich), Leiter der Plattform.

Prof. Katrin Amunts, Mitglied JARA-BRAIN und Direktorin des Instituts für Neurowissenschaften und Medizin – Strukturelle und funktionelle Organisation des Gehirns, nutzt mit ihrer Gruppe den Supercomputer JURECA der Plattform für die Entwicklung des dreidimensionalen Hirnmodells BigBrain. BigBrain ist die weltweit detaillierteste Rekonstruktion der Zellstruktur eines vollständigen menschlichen Gehirns. Der zukünftige HBP-Hirnatlas wird auch Informationen zu Nervenfaserbahnen beinhalten, die verschiedene Hirnregionen miteinander verbinden. „Unser Hirnatlas wird Forschern in- und außerhalb des Human Brain Projects Zugriff auf alle weltweit verfügbaren Daten über das Gehirn, ähnlich wie Google-Earth, ermöglichen“, erläutert Katrin Amunts, die selbst auch die Eröffnungs-Veranstaltung der HBP-Infrastruktur koordinierte und das HBP-Teilprojekt zur Human Brain Organisation leitet.

Das Team um Prof. Markus Diesmann, Mitglied von JARA-BRAIN und JARA-HPC und Direktor am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin – Computational and Systems Neuroscience, untersucht neuronale Netzwerke im Gehirn. Mithilfe von Supercomputern wollen die Forscher Rückschlüsse auf das gesamte Gehirn mit seinen rund 100 Milliarden Nervenzellen ziehen. Aber selbst die leistungsstärksten Supercomputer können derzeit gerade einmal ein Prozent des menschlichen Gehirns simulieren. Dabei darf die Simulation eine kritische Anzahl von Neuronen und Synapsen jedoch nicht unterschreiten, weil die Abweichungen von der Realität ansonsten zu groß werden. „Dazu entwickeln wir auf dem Jülicher Supercomputer JUQUEEN  fehlerkorrigierende mathematische Modelle sowie die notwendige Simulations- und Auswertungssoftware für Big Data-Analysen. Dies geschieht im Rahmen der Neural Simulation Technology Initiative, kurz NEST“, erklärt Markus Diesmann.

Einen sehr konkreten Einblick in das, was in den letzten zweieinhalb Jahren erreicht wurde, gab das Team um Prof. Sonja Grün, Mitglied in den JARA Sektionen BRAIN und HPC und stellvertretende Direktorin am Jülicher Institut für Neurowissenschaften und Medizin – Computational and Systems Neuroscience, am Tag der Eröffnung in einer Live-Demonstration, die über das Internet weltweit verbreitet wurde. In der Live-Demo wurde beispielhaft gezeigt, wie künftig ein komplexer Arbeitsablauf mihilfe der HBP-Forschungsinfrastruktur durchgeführt und vollständig wissenschaftlich dokumentiert werden kann. „Unsere Live-Demo umfasst die Erstellung eines mathematischen Modells mit der Software NEST, seine Simulation auf einem Supercomputer, die Analyse der berechneten Daten mit dem Jülicher Software-Werkzeug `Elephant´ sowie die Visualisierung der Resultate“, erläutert Sonja Grün.

JARA – Jülich Aachen Research Alliance
Die Jülich Aachen Research Alliance, kurz JARA, ist ein deutschlandweit einzigartiges Kooperationsmodell der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich. Sie überwindet das Nebeneinander von universitärer und außeruniversitärer Forschung und Lehre, um komplexen Fragestellungen mit vereinter Forschungskompetenz und -kapazität zu begegnen. Die RWTH Aachen und das Forschungszentrum Jülich verknüpfen in JARA gezielt Forschungsfelder, auf denen sich ihre jeweiligen spezifischen Stärken wirkungsvoll ergänzen, und schaffen unter dem Motto „Kompetenzen bündeln, Zukunft gestalten“ ein wissenschaftliches Umfeld der Spitzenklasse.

Kontakt:
Erhard Zeiss
Unternehmenskommunikation
Forschungszentrum Jülich
Tel.: 02461 61-1841
E-Mail: e.zeiss@fz-juelich.de

Sabine Prall
Pressereferentin
Jülich Aachen Research Alliance (JARA)
Tel.: 02461 61 96421
Fax: 02461 61 1816
Mobil: 0151 5105796[PS1]
Mail: s.prall@jara.org


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