Neuer Vielteilchenzustand in einem Eisenkristall entdeckt
Forscher aus Jülich, Polen und Japan haben einen neuen Vielteilchenzustand in einem Eisenkristall entdeckt und analysiert. Seine Existenz wirft neues Licht auf die Physik des Zusammenspiels von Elektronen und Magnonen, Anregungen eines magnetischen Systems. Magnonen breiten sich in einem Material infolge einer Störung der lokalen magnetischen Ordnung aus. Die Elektron-Magnon-Interaktion ist entscheidend für grundlegende physikalische Eigenschaften, wie die Temperaturabhängigkeit des elektrischen Widerstands von Metallen, bietet aber auch Perspektiven, Computer schneller und energieeffizienter zu machen. Maßgeblich an den Untersuchungen beteiligt sind die JARA-FIT Wissenschaftler Prof. Stefan Blügel und Prof. Claus Michael Schneider.
Magnetische Materialien, die der Menschheit mindestens seit den Zeiten des griechischen Gelehrten Thales von Milet bekannt sind, bergen auch heute noch Überraschungen. Eines der modernen, ausgeklügelten Werkzeuge, mit denen magnetische Materialien untersucht werden, ist die impuls- und spinaufgelöste Photoelektronenspektroskopie. In einem solchen Experiment scheint Licht auf die kristalline Probe und setzt Elektronen daraus frei, welche im Versuchsapparat detektiert werden. Die gemessenen Elektronen lassen Rückschlüsse auf Geschehnisse im Inneren der Probe zu. Dies hilft den Physikern, den Ursprung der Eigenschaften zu verstehen, die ein untersuchtes Material hat, z.B. warum es elektrisch leitend oder magnetisch ist.
In ihrer aktuellen Veröffentlichung nutzen die Forscher genau diese Methode, um zu enthüllen, was in einem magnetischen Eisenkristall passiert. Sie fanden heraus, dass, wenn ein Elektron den Kristall verlässt, ein Loch zurückbleibt, das auf außergewöhnliche Weise mit anderen Elektron-Loch-Paaren interagiert, die gegensätzliche Spins aufweisen. Die hohe Bindungsenergie der Elektronen mit Spin-Flip-Anregungen überraschte. Möglich ist diese Kopplung durch sogenannte Stoner-Anregungen, die energiereicher sind als Magnonen.
Die Forscher fanden diesen eigentümlichen Vielteilchenzustand in ihren Untersuchungen eines Eisenkristalls genau dort, wo Theoretiker des Peter Grünberg Instituts – Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1) ihn bereits vorhergesagt hatten. Dazu hatten diese eine neu entwickelte Rechenmethode verwendet, die keine anpassbaren Parameter benötigt. Diese hatten sie auf Basis der Vielteilchen-Störungstheorie entwickelt, um das Verhalten von Elektronen in ferromagnetischen Materialien direkt aus den Grundprinzipien der Quantenmechanik ableiten zu können. Die Theorie berücksichtigt explizit Wechselwirkungen zwischen Elektronen und Vielteilchen-Spin-Flip-Anregungen und prognostiziert, dass diese Kopplung zu elektronischen Bandanomalien bei überraschend hohen Energien führen kann. Genau diese Anomalien wurden durch die Experimente mit einem k-Raum-Mikroskop bestätigt, das das PGI-6 am Synchrotron Elettra im italienischen Triest betreibt.