Forschungslabor Prozessgas-Radialverdichter
Prozessgas-Radialverdichter werden weltweit in vielen industriellen Anwendungen eingesetzt, z. B. in der Erzeugung von Grundstoffen, der Öl- und Gasindustrie, der Petrochemie, der Luftzerlegung und der Kältetechnik. Prozessgas-Radialverdichter stellen unabdingbare, integrale Bestandteile der entsprechenden Prozessanlagen dar und stellen die jeweiligen Gase auf dem für die benötigten Prozessschritte erforderlichen Druckniveau zur Verfügung. Ein beispielhaftes in Prozessgas-Radialverdichter eingesetztes Laufrad mit Deckband zeigt Abbildung 1. Dabei müssen diese Verdichter ein breites Spektrum an Gasen (von Wasserstoff bis zu CO2 und schweren Kohlenwasserstoffen) bei unterschiedlichsten Betriebsbedingungen (breites Durchsatz-, Druck- und Temperatur-Spektrum) mit höchstmöglicher Effizienz komprimieren. Dabei ist die technologische Entwicklung von Verdichtern so weit fortgeschritten, dass signifikante Fortschritte des Stands der Technik und innovative Konzepte nur noch durch deutlich gesteigerten Aufwand im Bereich der industriellen Forschung erreicht werden können.
Abbildung 2 zeigt eine solchen, mehrstufigen Radialverdichter. Um mehrere Verdichterstufen auf einer Welle anordnen zu können, muss die Strömung, nachdem sie durch das Laufrad und den schaufellosen Diffusor nach außen geströmt ist, wieder nach innen zum Eintritt des nächsten Laufrads geführt werden. Die hierfür benötigte Rückführung setzt sich dabei aus den folgenden Komponenten zusammen:
- 180°-Umlenkung, um die Strömung von der zentrifugalen in die zentripetale Richtung umzulenken
- Beschaufelter Rückführkanal zwecks Drall-Reduktion
- 90°-Umlenkung, um die Strömung zum nächsten Laufrad auszurichten
Aus rotordynamischen Gründen muss das Rückführsystem axial sehr kurz ausgeführt werden. Um die Fertigungskosten zu reduzieren, muss die radiale Erstreckung der Kanäle sehr kompakt gestaltet werden. Daraus ergeben sich sehr kleine Umlenkradien. Die starken Umlenkungen der Strömung in der Rückführung verursachen starke Sekundärströmungen und hohe Verluste, welche den Wirkungsgrad der Stufe und damit den der gesamten Maschine deutlich reduzieren. Neben einem hohen Wirkungsgrad ist die Abströmung aus der 90° Umlenkung ein wichtiges Gütekriterium für die Rückführung. Diese Abströmung stellt gleichzeitig das Anströmprofil für die nachfolgende Stufe dar und beeinflusst maßgeblich das Betriebsverhalten dieser Stufe. Eine exakte Vorhersage des Abströmprofils ist demnach eine essentielle Information für die Auslegung mehrstufiger Maschinen.
Laufräder und Diffusoren von Radialverdichtern wurden in der Vergangenheit ausführlich untersucht und optimiert. Die komplexen Strömungsphänomene in der Rückführung wurden jedoch nur in sehr begrenzten Umfang analysiert. Dies spiegelt sich auch in dem Verständnis über die großen Wirkungsgradeinbußen wieder, welche die Rückführung verursacht. Das Verhalten der Strömung innerhalb von Rückführungen ist wegen der hohen physikalischen Komplexität (z. B. bedingt durch die Stromlinienkrümmung) selbst bis heute nicht vollständig verstanden worden, weshalb sie auch noch heutzutage Gegenstand aktueller Forschungsaktivitäten sind.
Im Rahmen eines Forschungsprojektes innerhalb des europäischen Ziel 2-Programms in der Rubrik Hightech.NRW ist ein komplett neuartiger Prüfstand für horizontal geteilte, einwellige Prozessgas-Radialverdichter zur Untersuchung radialer Rückführstufen am Institut für Strahlantriebe und Turboarbeitsmaschinen (IST) aufgebaut worden, s. Abbildung 3. Mit dem Prüfstand können weitreichende experimentelle Untersuchungen der Strömungsverhältnisse innerhalb der strömungsführenden Bauteile durchgeführt werden. Ziel laufender Forschungsvorhabens ist es die Strömung in der Rückführung zu analysieren und entsprechendes Potential für Wirkungsgradsteigerungen zu identifizieren. Hierdurch ist es möglich, eine Kostenreduktion in der Fertigung von mehrstufigen Radialverdichtern in Einwellenbauweise zu erreichen.
Zur Veranschaulichung zeigt Abbildung 4 den Prozessgas-Radialverdichter-Prüfstand in der Schnittansicht. Die gleichgerichtete Strömung tritt aus radialer Richtung kommend in die Stufe ein und erreicht das Laufrad mit Deckband (1). Anschließend strömt das Fluid durch den nachgeschalteten Diffusor (2) und wird um 180° umgelenkt (3). Nach der Reduktion des Dralls durch die Rückführbeschaufelung (4) wird die Strömung schlussendlich um 90° in axialer Richtung umgelenkt (5).
Zur Untersuchung des Einflusses von unterschiedlichen Randbedingungen wie Druck und Temperatur können die Eintrittsgrößen unabhängig voneinander und präzise geregelt werden. Der Prüfstand selbst besteht aus einem mechanischen Antriebsstrang (Antriebsmotor und Getriebe), einem geschlossenen Luftkreislauf inkl. Kühler, Versorgungseinrichtungen und verschiedenen Mess- und Regelsystemen. Der Prüfstand ermöglicht anhand verschiedenster Messtechniken detaillierte Einblicke in die Strömung sowohl vor dem Laufrad als auch im Rückführkanal. Zum Einsatz kommen hier stationären und instationären Druckmesssonden als auch das Hitzdraht-Verfahren zur Untersuchung des Turbulenzgrades sowie optische Messverfahren, wie die Laser-Doppler-Anemometrie (LDA).
Neben den experimentellen Arbeiten wird die Strömung ebenfalls durch numerische Simulationsprogramme (CFD: Computational Fluid Dynamics) nachgebildet. Durch die kombinierte Vorgehensweise kann zunächst das Simulationsergebnis anhand der Messungen validiert werden. Des Weiteren ermöglicht die Simulation Einblicke in Bereiche, welche mit dem experimentellen Ansatz verschlossen bleiben. Variantenrechnungen der Ausgangsgeometrie werden zunächst simuliert und auf Ihr Verbesserungspotential hin untersucht, bevor Sie am Prüfstand vermessen werden. So kann eine ganzheitliche Untersuchung und eine schnelle und zielgerichtete Optimierung sichergestellt werden. Diese Vorgehensweise hat sich im Bereich der Turbomaschinenentwicklung bewährt und ist in der Industrie gängige Praxis.
Warum die experimentelle sowie numerische Untersuchung der Rückführbeschaufelung von mehrstufigen Prozessgas-Radialverdichtern von großer Bedeutung ist, zeigt Abbildung 5. Im angedrosselten Betriebspunkt erfolgt entlang der Saugseite ein starker Transport von niederenergetischem Fluid von der Nabe zum Gehäuse. Hierdurch wird die Strömung auf der Saugseite im Gehäusebereich blockiert. Als Folge dieser Blockage sind die verlustreichen Nachlaufdellen im hinteren Bereich der Schaufel ausgeprägter und induzieren in der 90°-Umlenkung zusätzliche Wirbelstrukturen. Dieser Strömungszustand bedeutet eine inhomogene Zuströmung der nachfolgenden Stufe und mündet direkt in eine Wirkungsgradverschlechterung.
Zukünftig werden verschiedene kompaktere Bauweisen der Rückführung untersucht. Herausfordernd wird es dabei sein, eine technisch, konstruktiv und wirtschaftlich optimale Konfiguration zu finden und diese wirkungsgradoptimiert zu realisieren.
Kontakt
Projektleitung:
Univ.-Prof. Dr.-Ing. Peter Jeschke
Mitglied JARA-ENERGY
Lehrstuhl und Institut für Strahlantriebe und Turboarbeitsmaschinen
RWTH Aachen University
Templergraben 55
52062 Aachen
Ansprechpartner IST:
Dr.-Ing. Daniel Grates
E-Mail: grates@ist.rwth-aachen.de
Tel.: +49 (0)241 80 95504