Adaptive katalytische Systeme
Chemische Umwandlungen mit molekularem Wasserstoff (H2) sind Grundpfeiler der chemischen Industrie und werden in der gesamten Wertschöpfungskette von der Produktion von Kraftstoffen, Feinchemikalien, Agrochemikalien und Pharmazeutika eingesetzt. Mit dem Aufkommen alternativer, erneuerbarer Energiequellen und chemischer Ausgangsstoffe wird die permanente Weiterentwicklung neuartiger Wasserstofftechnologien immer wichtiger. Katalysatoren sind unerlässlich, um die Aktivierung und den Transfer von Wasserstoff zu steuern, insbesondere für die selektive Umwandlung von aus Biomasse gewonnenen Substraten und Zwischenprodukten. Die Entwicklung von Katalysatoren, deren Reaktivität nach Belieben verändert werden kann oder sich sogar während des Prozesses selbst reguliert, ist daher von großem Interesse.
In einem kürzlich in Nature Chemistry veröffentlichten Artikel berichtet ein internationales Team von Forschenden unter der Leitung von JARA-ENERGY Wissenschaftler Prof. Walter Leitner, Inhaber des RWTH-Lehrstuhls für Technische Chemie und Petrolchemie und Direktor am Max-Planck-Institut für chemische Energiekonversion, über einen rational konstruierten Katalysator, der sich vollständig reversibel und in Echtzeit an Veränderungen im Reaktionssystem anpasst und so die selektive Erzeugung verschiedener Produkte in Abhängigkeit von der Wasserstoffquelle ermöglicht.
Bisher entwickelte Katalysatoren sind typischerweise so optimiert, dass ihre Leistung statisch bleibt. Die Entwicklung eines adaptiven katalytischen Systems, dessen Reaktivität bei Änderungen der reaktiven Umgebung reversibel verändert wird, ist besonders schwierig. Um diese Herausforderung zu meistern, kombinierte das Team seine Expertise auf dem Gebiet der Katalyse auf der Basis von Nanopartikeln und CO2-responsiven Materialien. Bei der Hydrierungsreaktion, die zu unterschiedlichen Produkten führen kann, ist der neue Katalysator in der Lage zu „erkennen“, ob das Einsatzgas aus reinem Wasserstoff oder aus einem Gemisch aus Wasserstoff und Kohlendioxid (CO2) besteht. Abhängig nur von der Gaszufuhr arbeitet er in zwei verschiedenen Modi und erzeugt selektiv zwei verschiedene Produkte aus demselben Ausgangsmaterial unter ansonsten identischen Bedingungen. Zwischen den beiden Betriebsmodi kann nahezu in Echtzeit umgeschaltet werden.
Die veröffentlichte Studie wurde insbesondere durch das Exzellenzcluster „The Fuel Science Center“ der RWTH Aachen unterstützt, das sich die Entwicklung adaptiver katalytischer Systeme als eines seiner Hauptziele gesetzt hat. Die Autoren hoffen, dass ihr Konzeptnachweis eines adaptiven katalytischen Systems für Hydrierungsreaktionen viele neue Möglichkeiten für die Entwicklung anderer adaptiver katalytischer Systeme eröffnet und flexible Produktionsschemata auf der Basis von erneuerbaren Rohstoffen und Energieversorgung ermöglicht.
Eine Pressemitteilung der RWTH Aachen
Originalpublikation:
Selectivity control in hydrogenation through adaptive catalysis using ruthenium nanoparticles on a CO2-responsive support. https://www.nature.com/articles/s41557-021-00735-w