Mobile Roboter versorgen mobile Roboter mit Energie
Mobile Roboter funktionieren nicht ohne autarke Energieversorgung. Diese Tatsache stellt das Team der Carologistics immer wieder vor neue Herausforderungen, denn die Erweiterungen und Verbesserungen ihrer robotischen Teammitglieder geht mit erhöhtem Energieverbrauch einher. Die Carologistics setzen sich aus Wissenschaftlern und Studierenden des Cybernetics Labs IMA/ZLW & IfU (RWTH Aachen, Maschinenwesen, Prof. Sabine Jeschke, Mitglied von JARA-ENERGY), des Lehr- und Forschungsgebiets Wissensbasierte Systeme (RWTH Aachen, Informatik, Prof. Gerhard Lakemeyer) und des MASCOR Instituts (FH Aachen, Elektrotechnik und Informationstechnologie, Prof. Alexander Ferrein) zusammen. In diversen Wettbewerben stellt sich das Team den Herausforderungen der Intralogistik - so auch diesen Mai in der Logistics League bei den German Open des RoboCups in Magdeburg, einem jährlich stattfindenden prestigeträchtigen Roboterwettbewerb.
Die Logistics League zeichnet sich durch ihre besondere Industrienähe aus. So bildet das Spielfeld eine Smart Factory im Kontext der Industrie 4.0 ab, in der Gruppen mobiler Roboter zweier gegnerischer Teams die Fertigung komplexer Produkte in sich schnell verändernden Fertigungsumgebungen übernehmen. Das Szenario zeichnet sich insbesondere durch die umfassende Kommunikation und Kooperation dieser intelligenten Maschinen aus.
Das als Multiagentensystem organisierte Roboterteam erkundet in der ersten Phase das – im Vorfeld unbekannte - Spielfeld, ein gemeinsames „Weltbild“ entsteht. In der zweiten Phase gibt der elektronische Schiedsrichter (RefBox) komplexe Produkte bekannt, die kooperativ produziert werden müssen. Dabei sind permanente schnelle und flexible Umplanungen notwendig, weil der Gegner auf derselben Fläche spielt und deshalb die Zugänglichkeit von Wegen oder Maschinen stets Variationen unterlegen ist.
Die Carologistics haben nach dem Gewinn der Weltmeisterschaft 2016 auch die German Open dieses Jahr wieder dominierend gewinnen können, die ausreichende Energieversorgung der Roboter wird jedoch zunehmend zum Problem. Angefangen hat das Team mit dem – vergleichsweise kleinen und weniger komplexen - Robotino 2 der Firma Festo in einem Szenario, in dem mit vollgeladenen Akkus noch mehrere Spiele am Stück absolviert werden konnten. Im aktuellen, deutlich anspruchsvolleren Szenario werden die Akkus durch eine erweiterte Aktorik und Sensorik stärker gefordert. Eine neue Generation der Robotinos hat dazu Einzug gehalten. So sitzen auf dem Robotino 3 mittlerweile zwei LiDAR-Laser (Light detection and ranging) zur Detektion von Objekten. Zusätzlich zu ihrem erhöhten Stromverbrauch steigt auch der Rechenaufwand der Software für die Lokalisation anhand der Laserdaten. Mit dem verwendeten Prinzip der “Adaptive Monte Carlo Localization”-Methode (AMCL) überprüft der Roboter durch Abgleich mit der Laser-Sensorik eine Basis von Hypothesen über die aktuelle Position auf ihre Plausibilität und ermittelt so seine Position. Zwei Laser bedeuten doppelt so viele Überprüfungen für eine Hypothese und damit eine erhöhte Energieaufnahme. Hinzu kommt eine aktive Kamera (RealSense von Intel), die eine Gitterstruktur mit einem infraroten Laser projiziert und anhand der Verzerrung des Musters Tiefeninformationen extrahieren kann. Auch die Aktorik verbraucht mehr Energie: In der RoboCup Logistics League werden Produkte von einer Maschine zur anderen transportiert. Um ein Produkt greifen zu können, müssen zwei Servomotoren für das Greifen und ein Servomotor für die Höhenverstellung angesteuert werden.
Deutlich spürbar ist auch der erhöhte Energiebedarf durch die kabellose Kommunikation über ein 5GHz-Netz. Im Entwicklungsprozess in den Hallen des Cybernetics Labs ist der Mehrverbrauch marginal - auf dem RoboCup steigt der Energieverbrauch durch die Vielzahl von WLANs und Störungen jedoch deutlich an. Eine verzögerte Abstandsberechnung kann schon bei mäßigen Geschwindigkeiten zu Kollisionen und damit ggf. zur Disqualifizierung des Roboters führen. In einer realen Smart Factory müssen Kollisionen und die daraus resultierenden monetären Schäden in jedem Fall verhindert werden. Der Gesamtverbrauch des Systems führt dazu, dass der Laptop für rechenintensive Prozesse in Echtzeit mit seinem Lithium-Ionen-Akku und die Robotinos mit ihren beiden Blei-Gel-Akkus bis direkt vor dem Spiel geladen werden müssen.
Zur Lösung dieser Problematik und speziell für die Weltmeisterschaft in Japan im Juli 2017 werden derzeit verschiedene Energiesparoptionen implementiert. Dazu zählt etwa eine bedarfsgerechte Einschaltung der aktiven Sensorik nur bei Benutzung – was aber algorithmisch seinen Tribut fordert, weil eine verbesserte Prädiktion, „wann“ „was“ notwendig wird, vorher bekannt sein muss. Außerdem liefert ein neuer lokaler Planer unter strengeren zeitlichen Einschränkungen bessere Ergebnisse. Für weitere Energieeinsparungen und verringerten Kommunikationsoverhead wird der Wechsel des Protokolls von TCP auf Googles QUIC in Erwägung gezogen.
Verschiedene Energieeinsparmöglichkeiten von den Carologistics fanden darüber hinaus Einzug in die holonome Plattform „TORsten“ der Firma Torwegge, deren Autonomieverhalten vom IfU des Cybernetics Lab entworfen und implementiert wurde. Die Plattform., die in der Lage ist, ganze Automobilkarosserien autonom im Werk zu bewegen, erlaubt die umfassende Unterstützung alternativer Fertigungsmodelle wie etwa das der „Inselfertigung“. Das Gesamtkonzept konnte Vertreter einer wissenschaftlichen und einer separaten fachlichen Kommission so sehr überzeugen, dass „TORsten“ im Mai 2017 den unter Schirmherrschaft des BMWi stehenden IFOY Award 2017 in der Kategorie „Fahrerlose Transportsysteme“ gewann.
Das Thema „mobile Robotik“ und die beschränkten Operationszeiten bei autarken Stromversorgungskonzepten sind ein wichtiges Thema am Cybernetics Lab. Die gesammelten Erfahrungen münden in neuartige Konzepte wie etwa das Ersetzen von Akkus mobiler Roboter durch ihre eigenen „Teammates“, Roboter also, die sich entweder auf diesen Task spezialisieren, oder aber solche, die den Akkutransport in ihre übliche Taskplanung integrieren. Die dadurch ermöglichten neuartigen Schedulingkonzepte für das Austauschen entleerter Akkus bringen einen zeitlichen und damit wirtschaftlichen Vorteil in der Fabrik der Zukunft und die Implementierung von Industrie 4.0 einen weiteren Schritt nach vorne.
