Neue Erkenntnisse über Synapsen im menschlichen Gehirn
Wissenschaftliches Team erstellt 3D-Modell

Synapsen sind neuronale Verbindungen, die eine Signalübertragung von einer Nervenzelle zu anderen Zelle ermöglichen. Das menschliche Gehirn ist durch circa 100 Billionen dieser winzigen Verknüpfungen gut vernetzt. Bisher basiert ein Großteil der Erkenntnisse über die Synapsen im menschlichen Gehirn auf Untersuchungen am Tiermodell, fraglich ist inwieweit sich diese tatsächlich übertragen lassen. Nun hat ein Team rund um JARA-BRAIN Mitglied Prof. Joachim Lübke, das erste quantifizierbare 3D-Modell menschlicher Synapsen in der Großhirnrinde veröffentlicht. Das Modell eröffnet ganz neue Möglichkeiten und Erkenntnisse.
Kleine Strukturen, hohe Diversität
Synapsen sind sehr kleine Strukturen, die sich nur mithilfe von Elektronenmikroskopen untersuchen lassen. Hinzukommt, dass die winzigen Verbindungsstellen höchst divers sind, da sie nicht nur perfekt an die entsprechende Spezies und das sie umgebende Netzwerk, sondern auch an die jeweilige Aufgabe angepasst sind. Bis dato fehlten hochaufgelöste Modelle menschlicher Synapsen, Wissenschaftler* mussten ihre Erkenntnisse daher trotz dieser Diversität zumeist anhand von Tiermodellen gewinnen. Ergebnisse wurden dabei teilweise eins zu eins auf den Menschen übertragen. Eine wichtige Frage ist jedoch, inwieweit sich Aufbau und Funktion tierischer Synapsen auf die menschlichen Pendants übertragen lassen. Um sich dieser Frage anzunähern, arbeitet Prof. Joachim Lübke, JARA Institut Brain structure function relationships: Decoding the human brain at systemic levels, seit acht Jahren an der Erstellung eines belastbaren 3D-Modells menschlicher Synapsen. Das nun veröffentlichte erste Modell von Synapsen der menschlichen Großhirnrinde zeigt bereits deutliche Unterschiede zu den Tiermodellen.
Vom Gewebe zum 3D-Modell
Grundlage für die Erforschung der Synapsen und die Erstellung des neuen 3D-Modells sind Gewebeproben von Tumor- und Epilepsiepatienten, die ihre Krankheit nicht mehr medikamentös behandeln lassen konnten, sondern nur noch durch eine Operation. Zugang zu den Patienten erhielt das wissenschaftliche Team durch die Kooperation mit den Universitätskliniken in Bonn und Bochum. Die Patienten stellten die frisch entfernten Gewebestücke der Wissenschaft zur Verfügung. Betroffene Hirnareale befinden sich bei Epilepsie-Patienten zumeist in tieferliegenden Gehirnstrukturen hierzu zählt zum Beispiel der Hippocampus. Um an diese Strukturen zu gelangen, entfernen die Chirurgen gezielt Teile der Großhirnrinde, die Prof. Lübke nutzen konnte.
Feine Unterschiede
Für die kommenden Jahre ist der Nachbau einer kortikalen Kolumne geplant, die das kleinste funktionelle Modul im sensorischen Areal darstellt und typischerweise aus sechs Schichten besteht. Die vierte und fünfte Schichte konnten die Forscher nun auf der Grundlage von gesunden Hirngeweben in dem 3D-Modell abbilden das erstmals menschliche Synapsen quantifizierbar abbildet. Durch das Modell lassen sich erste Aussagen über Unterschiede zwischen menschlichen und tierischen Synapsen, aber auch zwischen denen in männlichen und weiblichen Gehirnen treffen.
Bereits seit einigen Jahren gibt es die Vermutung, dass das weibliche Gehirn ein kleineres Volumen hat als davon Männern, dafür aber über eine dichtere Vernetzung verfügt. Nun zeigte die Arbeit des Wissenschaftlerteams, dass die Synapsen der Großhirnrinde im weiblichen Gehirn zweieinhalb Mal dichter stehen als im männlichen Gehirn.
Krankhafte Veränderungen der Synapsen
Neben den neuen Erkenntnissen über den grundsätzlichen Aufbau des menschlichen Gehirns liegt der Fokus der Untersuchungen vor allem auch auf dem Verständnis der Vorgänge bei Erkrankungen, die das Gehirn betreffen. Ziel ist es, Krankheiten wie etwa Schizophrenie, Autismus, Alzheimer und Parkinson, die mit Veränderungen an den Synapsen einhergehen, früher diagnostizieren und effektiver behandeln zu können.
Die Ergebnisse wurden in den renommierten Fachzeitschriften Cerebral Cortex und eLife, sowie in einem Übersichtsartikel in Neuroforum Ende 2019 veröffentlicht.
Weitere Informationen stehen auf der Website des Forschungszentrums Jülich zur Verfügung.
* Verweis: „Alle in diesem Dokument verwendeten Bezeichnungen sind geschlechtsneutral zu verstehen. Auf eine Nennung verschiedener Varianten der Bezeichnungen wird allein aus Gründen der besseren Lesbarkeit verzichtet.“