Molekülorbitale umfassend abbilden
Orbitale zeigen ähnlich wie ein Foto in Langzeitbelichtung, wo sich Elektronen um ein Atom oder Molekül herum aufhalten. In Lehrbüchern werden sie oft als knallige Ballons oder Wolken dargestellt. Forschenden aus Jülich, Graz und Marburg ist nun ein wichtiger Schritt bei der Abbildung dieser räumlichen Verteilung der Elektronen geglückt. Ihnen gelang es erstmals, beide Arten von Molekülorbitalen zu erfassen. Neben den sogenannten Pi- können nun auch Sigma-Orbitale dargestellt werden, wie die Forschenden in der der renommierten Fachzeitschrift Science Advances berichten. Das Verfahren hilft, chemische Reaktionen auf molekularer Ebene noch genauer zu beobachten.
Vor einem Jahr hatten die Physiker des Forschungszentrums Jülich gemeinsam mit ihren Partnern eine Methode entwickelt, um Bilder von Elektronenorbitalen in extrem hoher zeitlicher Auflösung aufzunehmen. Die Ergebnisse erschienen im bekannten Fachjournal Science. Nun gelang es ihnen erstmals, durch eine Erweiterung des Energiebereichs mit dem Verfahren neben den Pi-Orbitalen auch Sigma-Orbitale sichtbar zu machen.
Beide Orbitaltypen gehören zu den sogenannten Molekülorbitalen. Das sind Orbitale, die Bindungen zwischen Atomen beschreiben und zu zwei oder mehr Atomen gehören. Sigma-Orbitale umschließen die gebunden Atome wie eine Hülle. Pi-Orbitale lagern sich dagegen üblicherweise ober- und unterhalb der atomaren Ebene an.
„Chemische Reaktionen sind letztlich nichts anderes als der Auf- und Abbau von chemischen Bindungen zwischen Atomen. Die Beobachtung der Molekülorbitale ist eine faszinierende Möglichkeit, ein präzises Bild vom Reaktionsablauf auf molekularer Ebene zu erlangen“, erklärt Prof. Stefan Tautz (JARA-FIT), Leiter des Peter Grünberg Instituts für Quantum Nanoscience (PGI-3). „Man weiß vorher nicht, welche Orbitale sich verändern, daher ist es vorteilhaft, möglichst viele davon abbilden zu können.“
Die Experimente mit Synchrotronstrahlung wurden an der Metrology Light Source (MLS) der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt in Berlin in Zusammenarbeit mit Prof. Mathias Richter und Dr. Alexander Gottwald durchgeführt. Die Jülicher Forschenden betreiben dort an einer kalibrierten Beamline einen speziellen Analysator für die Orbital-Tomographie. Die Arbeit erfolgte in Kooperation mit Prof. Michael. G. Ramsey und Prof. Peter Puschnig von der Universität Graz, mit denen die Jülicher Forscher schon seit Jahren zusammenarbeiten. Prof. Michael Gottfried von der Universität Marburg half bei der Vorbereitung der Experimente.
Originalpublikation: https://www.science.org/doi/10.1126/sciadv.abn0819
Eine Pressemitteilung des Forschungszentrums Jülich: https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/fachmeldungen/2022/molekuelorbitale-umfassend-abbilden