ERC Grants für fünf herausragende Forschende
Mit den Advanced Grants fördert der Europäische Forschungsrat herausragende sowie etablierte Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler mit jeweils bis zu 3,5 Millionen Euro über maximal fünf Jahre. Consolidator Grants mit einer Förderung bis zu 2,75 Millionen Euro erhalten Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftler, deren Promotion höchstens sieben bis zwölf Jahre zurückliegt. Die Auszeichnung gilt als eines der prestigereichsten Förderinstrumente in Europa. Für den Advanced Grant des ERC hatten sich knapp 2.000 Forscherinnen und Forscher beworben.
Professorin Barbara Terhal
Einen Consolidator Grant erhielt Prof. Barbara Terhal, Universitätsprofessorin für das Fach Theoretische Physik der Fakultät für Mathematik, Informatik und Naturwissenschaften der RWTH und Mitglied der Sektion JARA-FIT.
Seit 20 Jahren arbeiten Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an der Implementierung der Grundbausteine für einen Quantencomputer. Die Herausforderung besteht darin, dass diese Grundbausteine, so genannte Qubits, nicht so robust sind wie klassische Bits. Das Erkennen und Korrigieren von Fehlern wird ein essentieller Bestandteil zum Speichern und Manipulieren von Quanteninformation sein. Professorin Barbara Terhal ist seit zehn Jahren eine Expertin auf diesem Gebiet. Das Ziel des ERC-Projekts „Engineering Quantum Error Correction“ ist es, ein Design zur Implementierung eines Fehlerkorrekturmechanismus in supraleitenden Qubit-Systemen zu entwerfen. Das Projekt wird voraussichtlich zu neuen Hardwarearchitekturen und damit verbundenen Strategien zur Fehlerbekämpfung führen. Die Forschung wird am JARA-Institut für Quanteninformation stattfinden.
Terhal hat an der Universität von Amsterdam Physik studiert und dort auch promoviert. Nach ihrer Promotion war sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am IBM Research Center und am Caltech in den USA. Seit Dezember 2010 ist sie Universitätsprofessorin der RWTH.
Professor Hans Ströher
Bereits zum zweiten Mal erhielt Prof. Hans Ströher, Direktor des Instituts für Kernphysik im Forschungszentrum Jülich und Mitglied von JARA-FAME, einen Advanced Grant.
Bei der Entstehung unseres Universums entstanden gleichzeitig Materie und Antimaterie – und hätten sich eigentlich sofort gegenseitig vernichten müssen. Weshalb sie das nicht getan haben, ist eines der großen Rätsel der Physik. Ströher erforscht in dem Projekt „srEDM“ mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern des IKP des Forschungszentrums Jülich, der RWTH Aachen und der Universität Ferrara, Italien, den Grund für die Materie-Antimaterie-Asymmetrie des Universums, dem wir unsere Existenz verdanken. Der Physiker hofft, diesen in geladenen Teilchen wie Protonen nachweisen zu können: als winzig kleine, aber messbare Ungleichheit in der Verteilung ihrer Ladung, dem sogenannten elektrischen Dipolmoment.
Professor Jörg Pretz vom Lehrstuhl für Experimentalphysik III B der RWTH Aachen, der auch am Forschungsgebiet JARA-FAME der Jülich Aachen Research Alliance beteiligt ist, wird an dem Grant mitwirken. Ziel von „srEDM“ ist es, für die ersten Messungen den Jülicher Teilchenbeschleuniger COSY zu nutzen. Für die Messung mit höchster Präzision wird schließlich aber ein völlig neuartiger Speicherring benötigt, der mit zwei gegenläufigen Teilchenstrahlen betrieben werden soll. An diesem Projekt arbeiten mehr als 100 Forscher aus zehn Ländern in der Kollaboration JEDI – Jülich Electric Dipole Investigations – zusammen, eine der beiden Hauptsäulen von JARA-FAME.
Ströher hat an der Universität Gießen Physik studiert und dort auch promoviert. Nach Forschungsaufenthalten in den USA wurde er 1995 als Professor an die Universität Mainz berufen. Seit 1998 ist er Direktor des Instituts für Kernphysik im Forschungszentrum Jülich und Professor für Experimentalphysik an der Universität Köln.
Professor Heinz Pitsch
Ebenfalls einen Advanced Grant erhielt Prof. Heinz Pitsch,Leiter des Instituts für Technische Verbrennung der RWTH und Mitglied in den Sektionen JARA-ENERGY und HPC.
Die Bereitstellung sauberer Energiequellen ist eine der großen Herausforderungen unserer Zeit. Obwohl erneuerbare Energien einen immer größeren Beitrag hierzu leisten, gehen aktuelle Prognosen davon aus, dass der Energiebedarf auch in den kommenden Jahrzehnten durch die Verbrennung fossiler und biogener Brennstoffe gedeckt wird. Die Verbesserung turbulenter Verbrennungsprozesse ist daher ein essentieller Faktor für eine umweltverträglichere Energieversorgung. Da die Verbrennung von einem Zusammenspiel chemischer und strömungsmechanischer Vorgänge auf unterschiedlichsten Zeit- und Längenskalen, sogenannten Multiskalen, lebt, gestaltet sie sich sehr schwierig. Relevante Phänomene wie Zündung, Verlöschen und Schadstoffbildung lassen sich selbst unter Zuhilfenahme aufwändiger Experimente nur schwer verstehen und erklären. Ziel des ERC-Projekts von Professor Heinz Pitsch ist es, durch numerische Simulationen unterschiedlicher Verbrennungsvorgänge unter Verwendung der leistungsfähigsten Supercomputer Daten zu generieren, die dann zur Analyse physikalisch-chemischer Prozesse verwendet werden sollen. Das erwartete Resultat ist eine Multiskalen-Beschreibung technologisch relevanter Verbrennungsvorgänge, die in Computersimulationen zur Entwicklung und Optimierung moderner Verbrennungssysteme verwendet werden kann.
Pitsch hat an der RWTH Aachen studiert und promoviert und verbrachte im Anschluss einen einjährigen Postdoc-Aufenthalt an der UC San Diego. Von 2003 bis 2013 war er Professor an der Stanford University. Er leitet seit 2010 das Institut für Technische Verbrennung der RWTH.
Professor Hermann Ney
Für seine Forschung erhielt Prof. Hermann Ney, Inhaber der Lehrstuhls Informatik 6 der RWTH Aachen und Mitglied von JARA-HPC, einen Advanced Grant.
Die gesprochene und die geschriebene Sprache bilden die wichtigste Basis sowohl für die menschliche Kommunikation als auch für die Übertragung und Speicherung von Wissen und Informationen. Dies gilt insbesondere in der global vernetzten und multilingualen digitalen Welt von heute. Mit dem Aufkommen der Computer wurde es daher als eine der Kernaufgaben der künstlichen Intelligenz angesehen, automatische Systeme für die Sprachverarbeitung zu entwickeln. Typische Aufgaben sind das Erkennen und Verstehen gesprochener Sprache und die Übersetzung zwischen Sprachen. Die bisher erfolgreichsten Konzepte gehen davon aus, dass der Computer aus Beispieldaten lernt und mit Plausibilitätsbewertungen statt mit vorgegebenen kategorischen Regeln arbeitet. Dies geschieht mit Verfahren der statistischen Entscheidungstheorie und des maschinellen Lernens, zu denen auch künstliche neuronale Netze gehören. Der Lehrstuhl Informatik 6 der RWTH Aachen unter Leitung von Professor Hermann Ney hat sich auf Spracherkennung und maschinelle Übersetzung spezialisiert. Mit dem ERC-Grant wird es möglich sein, die Forschungslücke zwischen den anwendungsorientierten Projekten der Sprachverarbeitung und den wissenschaftlichen Grundlagen zu schließen. Insbesondere ermöglicht die Laufzeit von fünf Jahren, die vielen pragmatischen Ansätze zur Sprachverarbeitung auf eine breitere wissenschaftliche Grundlage zu stellen und neue, verbesserte Methoden zu entwickeln.
Ney hat an der Universität Göttingen Physik studiert und an der TU Braunschweig in Elektrotechnik promoviert. Er war Mitarbeiter der Philips Forschungslaboratorien Hamburg und Aachen und ist seit 1993 Inhaber der Lehrstuhls Informatik 6 (Sprachverarbeitung und maschinelles Lernen) der RWTH Aachen.
Professor Martin Möller
Prof. Martin Möller, Direktor des DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und Mitglied der Sektion JARA-SOFT, erhielt einen Advanced Grant.
Ausgeklügelte Mikro- und Nanostrukturen und funktionelle Materialien sind das Spezialgebiet von Professor Martin Möller. Er möchte in seinem ERC-geförderten Projekt zur Entwicklung gelbasierter, lichtgetriebener Mikromotoren beitragen. Diese Gelmotoren sollen für neue, sich selbst bewegende Materialstrukturen eingesetzt werden. Damit zielt das Projekt vor allem auf biologische und medizinische Anwendungen zur biomechanischen Stimulation von Zellen und Geweben ab. Darüber hinaus bildet es eine Basis für gelbasierte mikrofluidische Pumpen und sich selbst bewegende Schwimmer und Transporter. Die Aachener Polymerchemiker um Martin Möller setzten hier Hydrogele ein, die zu 80 bis 98 Prozent aus Wasser bestehen und die durch Aufnahme sowie Abgabe von Wasser ihre Form stark verändern können. Bisher kann Möller zusammen mit seinem Team eine solche Formveränderung durch einen kurzen Impuls mit Infrarotlicht auslösen und so erstaunlich schnelle Bewegungen der Gelstrukturen von bis zu 2000 Mikrometern pro Sekunde erreichen. Ziel ist ein selbst-oszillierendes System, das auch bei konstanter Bestrahlung mit Infrarotlicht sich wiederholende Bewegungsimpulse erzeugt, die insgesamt einen Bewegungsfluss ergeben.
Möller übernahm 2002 nach Stationen an den Universitäten Twente und Ulm den Lehrstuhl für Textilchemie und Makromolekulare Chemie der RWTH Aachen. 2003 wurde er Direktor des DWI. Sein Forschungsgebiet ist die Synthese neuer Polymere und selbstorganisierender Polymersysteme.
Professor Matthias Wessling
Ebenfalls einen Advanced Grant erhielt Prof. Matthias Wessling, vom DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien und Mitglied in den JARA-Sektionen ENERGY und SOFT.
Das Forschungsfeld von Professor Matthias Wessling ist die Membrantechnologie – ein Gebiet, auf dem er Aachen zu einem international führenden Zentrum entwickelt. Synthetische Membranen spielen in vielen industriellen Prozessen und in der Medizin eine wesentliche Rolle. Beispiele sind die Meerwasserentsalzung, die Reinigung von Abwasser und Abgas ebenso wie die Anwendung als künstliche Lunge oder Niere. Mit der Entwicklung neuer hochdurchlässiger und hochselektiver Werkstoffe kann die Membran nur dann ihre volle Leistungsfähigkeit entfalten, wenn die Transportwiderstände an der Grenzfläche von Membran und Flüssigkeit oder Gas minimiert werden. Wessling wird mit der ERC-Förderung neuartige Interaktionsmechanismen entwickeln, die derartigen Transportwiderständen entgegenwirken. Er möchte den Stofftransport insbesondere an der Membranoberfläche verbessern, wo der Flüssigkeits- oder Gasstrom auf die Membran trifft. Hierfür wird er sich intensiv mit der Oberflächengeometrie und der chemischen Struktur von Membranen beschäftigen und diese bis in den Mikro- und Nanometer-Bereich gestalten. Er wird darüber hinaus bei den Kanalstrukturen ansetzen, die den Flüssigkeits- oder Gasstrom an die Membran führen und die Strömungsverhältnisse optimieren. Wessling integriert Fragen der klassischen Membrantechnologie mit Methoden aus der Mikro- und Nanofluidik, generativer Nanofabrikation und fluidmechanischen Computersimulationen.
Nach Karrierestufen bei Membrane Technology and Research Inc. (USA), bei Akzo Nobel und als Professor für Membrantechnologie an der Universität Twente (Niederlande) wurde Matthias Wessling 2010 über eine Alexander-von-Humboldt-Professur auf den Lehrstuhl für Chemische Verfahrenstechnik der RWTH berufen. Gleichzeitig wurde er Mitglied der Wissenschaftlichen Leitung im DWI – Leibniz-Institut für Interaktive Materialien, wo er seit 2015 stellvertretender wissenschaftlicher Direktor ist.
Bilder: Prof. Ströher © Forschungszentrum Jülich
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