Die Wandlung von Hydrogelen – Prozess des Quellens untersucht
Hydrogele sind Vertreter der weichen Materie. Ihre Eigenschaft, in Wasser zu quellen, ohne sich aufzulösen, prädestinieren sie für Einsätze in den verschiedensten Bereichen. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Aachen, Jülich, Frankreich und Dänemark haben nun den Vorgang des Quellens untersucht und erstmals erfolgreich die Größen- und Strukturänderung durch äußere Reize beobachtet.
Der Begriff „Hydrogel“ scheint auf den ersten Blick wenig mit unserem Alltag zu tun zu haben. In der Realität begegnen uns diese Stoffe häufiger als gedacht. Ein natürliches Hydrogel ist beispielsweise Gelatine. Was aber macht ein Hydrogel aus und was macht Hydrogele so interessant für die Wissenschaft? Hydrogele sind Makromolekülketten, die dreidimensional miteinander vernetzt sind. Ausgelöst durch einen äußeren Reiz, nehmen sie Wasser auf und können aus bis zu 90 Prozent Wasser bestehen, dabei jedoch ohne sich selbst darin aufzulösen. Auf diese Art quillt auch Gelatine. Sie nimmt Wasser auf und quillt auf eine beträchtliche Größe, wasserlöslich ist sie jedoch nicht.
Die Wissenschaft interessiert sich sehr für die Eigenschaften von Hydrogelen, da sie ein großes Anwendungspotenzial mit sich bringen. Um die Eigenschaften effektiv nutzen zu können, ist es jedoch Voraussetzung die dahinter stehenden Prozesse zu verstehen. Prof. Walter Richtering, Direktor von JARA-SOFT und Leiter des Lehrstuhls für Physikalische Chemie II und Instituts für Physikalische Chemie an der RWTH Aachen, hat mit einem internationalen Team den Vorgang des Aufquellens von Hydrogelen untersucht. Untersuchungsgegenstand waren dabei künstlich hergestellte Mikrogele. Reaktionsfähige Mikro- oder Nanogele zeichnen sich dadurch aus, dass sie eine poröse Struktur haben und eine geringe Entfernung zwischen den Teilchen aufweisen, was einen schnellen Stoffausgleich sowie Anpassung an die Umgebung ermöglicht. Mit Hilfe von zeitaufgelösten Röntgenstreuexperimenten und Computersimulation haben die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler den Prozess des Quellens genau beobachtet. Dabei stellten sie fest, dass es sich um zwei Phasen handelt. Zunächst schnüren sich kleine Bereiche zusammen und es bilden sich Knubbel an den Randbereichen. Diese Phase läuft sehr schnell ab und mündet in einer Art Zwischenzustand, einer dichten Schale mit wasserreichem Kern. Im zweiten Schritt kollabiert das gesamte Netzwerk und bildet langsam eine Kugel. Welcher Art der äußere Reiz ist, ob eine Veränderung der Temperatur, des pH-Werts oder Ähnlichem, ist dabei unerheblich.
In einem Interview mit „Welt der Physik“ erklärt Prof. Richtering, dass sich die Erkenntnisse für den Aufbau komplexerer Mikrogele nutzen lassen. Denkbar wäre es, den Kollaps der Moleküle auf bestimmte Bereiche zu beschränken, um beispielsweise eine Kern-Schale-Struktur herzustellen. Darüber hinaus beschreibt der Wissenschaftler im Gespräch, dass die auf diese Weise hergestellten Mikrogele zukünftig zum Beispiel Gifte aus dem menschlichen Körper entfernen könnten.
Das gesamte Interview steht auf der Website von „Welt der Physik“ zur Verfügung.
Die Ergebnisse der Untersuchungen wurden im Fachjournal „Science Advances“ veröffentlicht. Zu den Autoren zählt unter anderem auch JARA-ENERGY Mitglied Andrè Bardow vom Lehrstuhl für Technische Thermodynamik, RWTH Aachen.
Originalpublikation: http://advances.sciencemag.org/content/4/4/eaao7086
Weitere Informationen zu den Untersuchungen sind auf der Website des Forschungszentrum Jülich und der RWTH Aachen University zu finden.