Quantisierte Leitfähigkeit in Graphen
Dass Graphen ganz bemerkenswerte Eigenschaften besitzt, ist bekannt. Bereits 2010 wurde der Nobelpreis für die Entdeckung dieses ganz besonderen Materials vergeben, das aus einer Schicht wabenförmig angeordneter Kohlenstoffatome besteht. Doch je weiter die Graphen-Forschung fortschreitet, umso mehr bemerkenswerte Effekte gibt das Material preis. Nun gelang es einem internationalen Forschungsteam unter der Führung von Prof. Christoph Stampfer (Sektion JARA-FIT), das Verhalten der Elektronen zu erklären, die sich durch enge Stellen in einer Graphen-Schicht bewegen. Die Ergebnisse wurden nun im Fachjournal „Nature Communications“ veröffentlicht.
Das Elektron ist eine Welle
„Wenn Strom durch Graphen fließt, dann sollte man sich die Elektronen nicht vorstellen wie kleine Kugeln, die durch das Material rollen“, sagt Florian Libisch vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien und Mitautor der Arbeit. Die Elektronen schwappen als lang gestreckte Wellenfront durch das Material, die Wellenlänge des Elektrons kann hundertfach größer sein als der Abstand zwischen den Kohlenstoffatomen. „Das Elektron sitzt nicht auf einem bestimmten Kohlenstoffatom, es befindet sich gewissermaßen überall gleichzeitig“, erklärt Libisch, der den theoretischen Teil des Projektes leitete.
Untersucht wurde das Verhalten der Elektronen, die sie sich durch Engstellen im Graphen hindurchzwängen müssen. „Je schmäler diese Verengung wird, umso weniger Strom fließt hindurch“, sagt Florian Libisch. „Allerdings zeigt sich, dass der Zusammenhang zwischen dem Stromfluss, dem Durchmesser der Engstelle und der Energie der Elektronen ziemlich kompliziert ist. An bestimmten Stellen weist er charakteristische Sprünge auf, das ist ein klarer Hinweis auf Quanteneffekte.“
Ist die Wellenlänge des Elektrons so groß, dass sie nicht durch die Engstelle hindurchpasst, ist der Stromfluss sehr gering. „Wenn man die Energie des Elektrons erhöht, dann wird seine Wellenlänge kleiner“, erklärt Libisch. „Irgendwann passt dann eine Wellenlänge durch die Engstelle, dann zwei, dann drei – dadurch erhöht sich auch der Stromfluss in charakteristischen Stufen.“ Der Stromfluss wächst nicht kontinuierlich, er ist quantisiert.
Theorie und Experiment
Dieser Effekt lässt sich auch in anderen Materialien beobachten – ihn in Graphen aufzuspüren war aber bedeutend schwieriger, weil es durch die ungewöhnlichen elektronischen Eigenschaften des Materials zu verschiedenen zusätzlichen Effekten kommt.
Die Experimente wurden an der RWTH Aachen in der Gruppe von Prof. Christoph Stampfer durchgeführt. Für die Experimente galt es die Graphen-Stücke nanometergenau in Form zu bringen, stabilisiert wurden sie durch das Einschließen des Graphens zwischen Atomlagen von hexagonalem Bornitrid. „Diese neuartigen Graphen Bauelemente stellen hohe Anforderungen an die Fertigung und an dieser Stelle haben wir besonders von der Helmholtz Nanoelectronicfacility (HNF) profitiert“, sagt Christoph Stampfer.
Randzustände
Eine wichtige Rolle für das Verhalten von Graphen-Nanostrukturen spielt der Randbereich des Materials. Die Elektronen können am Rand ganz spezielle Zustände einnehmen, die einen wichtigen Einfluss auf die elektronischen Eigenschaften des Materials haben. „Erstmals ist es gelungen experimentell nachzuweisen, dass lokalisierte Zustände am Rand vorhanden sind und einen sehr wichtigen Einfluss auf das Transportverhalten haben“, erklärt Christoph Stampfer.
Die Entdeckung von Graphen öffnete die Tür zur Erforschung ganz unterschiedlicher ultradünner Materialien, die nur aus einzelnen Atomlagen bestehen. Speziell die Kombination dieser Schichten, zum Beispiel wie hier Graphen mit hexagonalem Bornitrid – verspricht in Zukunft spannende Erkenntnisse und neue Anwendungen im Bereich der Nanoelektronik. Die publizierte Arbeit zeigt zudem, dass Graphen durchaus auch großes Potential für zukünftige Quantentechnologien hat.
Originalpublikation: “Size quantization of Dirac fermions in graphene constrictions”, nature Communications, DOI: 10.1038/NCOMMS11528
Nachlesbar auf der Website von nature Communications.