Neue Art magnetischer Wirbel gefunden
Skyrmionen sind kleine magnetische Wirbel, die bereits seit einiger Zeit erforscht werden. Sie haben das Potenzial die Datenspeicherung kompakter und energieeffizienter zu machen. In der Datenlogik würden Skyrmionen die „1“ darstellen. Bisher fehlte jedoch ein Pendant, das als logische „0“ dienen könnte. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern am Forschungszentrum Jülich ist es nun gelungen eine partikelähnliche Magnetstruktur an einer Eisen-Germanium-Legierung nachzuweisen, die als logischer Gegenspieler für Skyrmionen dienen könnte. Die flachen dreidimensionalen Strukturen treten an der Oberfläche spezieller Legierungen auf und werden von den Forschern auch als „chiral magnetic bobbers“, auf Deutsch „chirale magnetische Schwimmer“, bezeichnet.
Lange vermuteten Forscherinnen und Forscher, dass es neben Skyrmionen auch noch weitere magnetische Nanowirbel auf Materialienoberflächen geben müsste. Vor drei Jahren hatte Dr. Nikolai Kiselev vom Jülicher Peter Grünberg Institut (PGI-1)gemeinsam mit Institutsdirektor Professor Stefan Blügel, JARA-FIT Mitglied, und weiteren Forschern die Existenz dieser neuen Klasse von magnetischen Objekten theoretisch vorhergesagt. Nun wiesen Jülicher Spezialisten auf dem Gebiet der Elektronenmikroskopie ihre Existenz erstmals experimentell nach.
Die Stabilität von Skyrmionen und diesen neuartigen magnetischen Strukturen hängt zusammen mit einer Eigenschaft, die auch als Chiralität bezeichnet wird. So, wie sich die rechte Hand aus Gründen der Symmetrie nicht in die linke umwandeln lässt, lassen sich auch rechtshändige und linkshändige Magnetwirbel nicht ineinander überführen. Die Strukturen sind zudem sehr klein. Ihr Durchmesser beträgt typischerweise nur einige zehn Nanometer. Daten lassen sich mit ihnen daher sehr dicht auf einem Speicherchip zusammenpacken.
„Die Beobachtung von derart winzigen magnetischen Texturen ist nur mit speziellen Techniken möglich, die nur in wenigen Labors weltweit verfügbar sind", erklärt Professor Rafal Dunin-Borkowski, JARA-FIT Mitglied und Direktor am Ernst-Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen (ER-C).
„Magnetische Schwimmer“ und Skyrmionen sind, abgesehen von ihrer Größe, noch aus einem anderen Grund für Anwendungen interessant. Sie sind beweglich. Das unterscheidet sie von Daten-Bits auf einer Festplatte. Skyrmionen und andere sogenannte magnetische Solitonen lassen sich durch schwache elektrische Stromstöße entlang einer vorgegebenen Strecke auf einem Chip verschieben. Damit ergeben sich völlig andere Möglichkeiten für die Realisierung magnetischer Solid-State-Speicher, etwa nach dem Konzept des sogenannten Skyrmionen-Racetrack-Memory.
„Mit beweglichen Skyrmionen können Daten von Schreib- zu Leseelementen wandern, ohne dass dafür bewegliche Teile wie Lese- und Schreibköpfe oder eine rotierende Hard Disk nötig wären“, erklärt Nikolai Kiselev. Das spart Energie. Denn bewegliche Komponenten benötigen in der Regel mehr Strom und Platz und sind auch anfälliger gegenüber mechanischen Stößen und Vibrationen.
Die neu entdeckten magnetischen Strukturen ermöglichen es nun, digitale Daten direkt mit zwei verschiedenen Arten von magnetischen Objekten, nämlich mit Skyrmionen und „magnetischen Schwimmern“, zu codieren. „Bisher ging man davon aus, dass die Daten irgendwie als Folge von Skyrmionen und Leerstellen dargestellt werden“, erläutert Professor Stefan Blügel. Um neben der „1“ auch die „0“ repräsentieren zu können, wird neben den schon länger bekannten Skyrmionen ein weiterer Informationsträger benötigt. Das kann etwa der Abstand zwischen aufeinanderfolgenden Skyrmionen sein. Damit durch spontane Driftbewegungen der Skyrmionen keine Information verloren geht, müsste deren Position auf irgendeine Art eingegrenzt oder quantisiert werden.
Bei der direkten Codierung mit zwei verschiedenen Objekten können sich diese dagegen relativ frei bewegen, ohne präzise Abstände einzuhalten zu müssen.
Für den Weg in die Praxis ist noch weitere Forschung nötig. Nikolai Kiselev und seine Kollegen haben die neuartigen Strukturen in einer Eisen-Germanium-Legierung nachgewiesen. Darin sind sie nur bis 200 Kelvin, das entspricht minus 73,5 Grad Celsius, stabil. Aus theoretischen Überlegungen lässt sich jedoch vorhersagen, dass die neuartigen Wirbel auch in in anderen Materialkombinationen vorkommen; möglicherweise auch bei Raumtemperatur, wie einige Arten von Skyrmionen, die erst kürzlich entdeckt wurden.
Originalveröffentlichung:
Experimental observation of chiral magnetic bobbers in B20-type FeGe
Fengshan Zheng, Filipp N. Rybakov, Aleksandr B. Borisov, Dongsheng Song, Shasha Wang, Zi-An Li, Haifeng Du, Nikolai S. Kiselev, Jan Caron, András Kovács, Mingliang Tian, Yuheng Zhang, Stefan Blügel, Rafal E. Dunin-Borkowski
Nature Nanotechnology (published online 9 April 2018) DOI: 10.1038/s41565-018-0093-3
Ansprechpartner:
Prof. Rafal Dunin-Borkowski
Direktor am Ernst Ruska-Centrum für Mikroskopie und Spektroskopie mit Elektronen (ER-C-1)
Tel.: +49 2461 61-9297
E-Mail: r.dunin-borkowski@fz-juelich.de
Prof. Dr. Stefan Blügel
Direktor am Peter Grünberg Institut, Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1/IAS-1)
Tel.: +49 2461 61-4249
E-Mail: s.bluegel@fz-juelich.de
Dr. Nikolai Kiselev
Peter Grünberg Institut, Quanten-Theorie der Materialien (PGI-1/IAS-1)
Tel.: +49 2461 61-3328
E-Mail: n.kiselev@fz-juelich.de
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