E-Mobilität lernt fliegen
Experten aus aller Welt informieren sich an der RWTH über Elektroflugzeuge

Fliegen mit Elektroantrieb? Das ist doch etwas für Utopisten. Wir schaffen es ja kaum, Elektroautos in hoher Zahl auf die Straße zu bringen. „Stimmt so nicht!“, widerspricht Professor Rik W. De Doncker (JARA-ENERGY), Chef der beiden RWTH-Institute ISEA und PGS, voller Überzeugung. „Elektrisch angetriebene Flugzeuge gibt es schon seit einigen Jahren, und ich bin davon überzeugt, dass die Entwickler in ihrer Arbeit den Status von Prototypen bald hinter sich lassen werden. Ohne Aussicht auf Erfolg würden sich Unternehmen wie Airbus oder Siemens nicht so intensiv mit diesem Thema beschäftigen, wie sie dies tatsächlich tun.“
Wenn Elektroautos nur langsam an Boden gewönnen, liege das weniger an der Technik, sondern vor allem an den Kosten, erklärt De Doncker. „Technische Lösungen haben wir, und wir arbeiten intensiv und mit guten Aussichten an der Verbesserung der Leistungsdichte aller Komponenten. Aber für das preissensible Produkt Auto sind solche Lösungen erst dann interessant, wenn man sie in hohen Stückzahlen bauen und verkaufen kann. Im Flugzeugbau spielen Gewicht und Volumen eine viel größere Rolle, finanzielle Aspekte sind hier zwar auch wichtig, aber im Rahmen der Gesamtkosten nicht ganz so entscheidend.“
Die positive Einschätzung von Professor De Doncker und vieler seiner Kolleginnen und Kollegen war für die Forschungsgemeinschaft Leistungselektronik und Elektrische Antriebe e. V. (FGLA) Grund genug, erstmals einen Workshop zum Thema „All-Electric Aircraft“ zu veranstalten. Gerechnet hatte man mit rund 20 Teilnehmern, in Aachen getroffen haben sich vor wenigen Tagen mehr als 125 internationale Experten unterschiedlichster Fachgebiete aus Wirtschaft, Wissenschaft und Verwaltung. Schon mit seinem Eröffnungsvortrag zu dieser eintägigen Veranstaltung machte Professor De Doncker deutlich, dass er gemeinsam mit seinem Kollegen Professor Dirk Uwe Sauer (Direktor JARA-ENERGY) an den Instituten ISEA und PGS über große Expertise im Feld der elektrischen Mobilität verfügt. Mit zahlreichen hochqualifizierten Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern decke man in den Arbeitsbereichen Leistungselektronik, elektrische Antriebe sowie mobile und stationäre Batteriespeicher eine beeindruckende Reihe wichtiger Forschungsthemen für die Entwicklung elektrisch betriebener Fahr- und Flugzeuge ab.
Auf reges Interesse stießen gleich zu Beginn der Veranstaltung zwei Präsentationen, in denen leitende Mitarbeiter von Airbus und Siemens eindrucksvoll zeigten, dass elektrisch angetriebene Flugzeuge längst keine Utopie mehr sind. Bei Airbus sieht man demnach großes Potenzial im Bereich Kleinflugzeuge, ist aber skeptisch hinsichtlich des Baus von großen Passagierflugzeugen. Dies vor allem wegen des auf absehbare Zeit zu hohen Gewichts der notwendigen Batteriekapazitäten. Andererseits, so Airbus-Mitarbeiter Peter Rostek, habe jede Technologie klein begonnen. Claus Müller von der Siemens AG kündigt den Bau von kleineren Flugzeugen mit Hybridantrieb für die kommenden fünf Jahre an. Passagierflugzeuge für bis zu 100 Passagiere und Kurzstrecken hält er bis 2030 für möglich. Handfester Hintergrund für derart optimistische Prognosen: Ihre Jungfernflüge haben die ersten Elektroflugzeuge bei Siemens längst hinter sich.
Das Design von Batteriesystemen für elektrisch betriebene Flugzeuge gehörte auf diesem Workshop ebenso zu den präsentierten und intensiv diskutierten Themen wie die Entwicklung eines zweisitzigen hybrid-elektrischen Sportflugzeuges, das sowohl auf dem Wasser als auch auf dem Land starten und landen kann. In Norwegen steht dessen erster Testflug unmittelbar bevor. Die Elektrifizierung hydraulischer und pneumatischer Aktuatoren wurde durch United Technologies erläutert. Und Studierende der RWTH stellten ihre Arbeit an der Entwicklung eines elektrisch angetriebenen Segelflugzeugs vor. Andere Vorträge zeigten, dass elektrisch angetriebene Flugzeuge enorme Vorteile im Bereich Energieeffizienz und Umweltschutz bieten können, dass aber bis zur Serienfertigung sowohl bei den eigentlichen Antrieben als auch in der Leistungselektronik und in der Speichtechnik noch viele Verbesserungen hinsichtlich Kosten, Größe, Gewicht, Zuverlässigkeit oder Thermomanagement notwendig sind.
Professor Dirk Uwe Sauer sieht nicht allein beim „All-Electric Aircraft“ gewaltige Fortschritte. Der Batteriespezialist setzt überdies darauf, dass die Arbeiten sich auch in der Elektromobilität positiv auswirken: „Kleine Flugzeuge und Drohnen für kurze und mittlere Reichweiten lassen sich mit der heute verfügbaren Batterietechnologie bereits sehr gut realisieren. Sehr leistungsfähige Batterien für Hybridantriebsstränge, die insbesondere elektrische Starts und Landungen ermöglichen, sind ebenfalls vorhanden. Die Weiterentwicklung wird durch den schnell wachsenden Markt im Bereich der straßengebundenen Elektromobilität durch die Automobilindustrie vorangetrieben. Im großen Passagierflugzeug rein elektrisch auf Basis von Batterien über den Atlantik zu fliegen, wird dagegen noch lange ein Traum bleiben.“
Kontakt:
Dr. Ute Müller
Referentin Institutsleitung ISEA
Tel.: +49 241 80 99597
Mail: ute.mueller@isea.rwth-aachen.de
Im Bild (v. li.): Peter Rostek, Product Leader Novel Energy bei der Airbus Defence and Space GmbH, Prof. Rik W. De Doncker, Lehrstuhl für Stromrichtertechnik und Elektrische Antriebe am ISEA, Lehrstuhl für Power Generation and Storage Systems (PGS) am E.ON Energy Research Center (E.ON ERC) und Direktor des E.ON ERC, Dr. Claus Müller, Leiter Center of Competence „Aircraft Drives and Controls“ bei der Siemens AG, Prof. Rudolf Mathar, Prorektor für Forschung und Struktur der RWTH Aachen und Prof. Dirk Uwe Sauer, Lehrstuhl für Elektrochemische Energiewandlung und Speichersystemtechnik am ISEA und Kollege von Prof. De Doncker am PGS des E.ON ERC.