Wasserstoff: „Es geht darum, dass wir in Deutschland unsere Technologieführerschaft festigen und weiter ausbauen“
Die Bundesregierung hat in dieser Woche die Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie veröffentlicht. Die überarbeitete Version der ursprünglich 2020 verabschiedeten Strategie sieht ein erhöhtes Tempo beim Aufbau der deutschen Wasserstoffproduktion vor. Grüner Wasserstoff steht dabei im Mittelpunkt. Mit der Fortschreibung sind übergangsweise aber auch andere Wasserstoff-Varianten denkbar. Prof. Peter Wasserscheid (JARA-ENERGY), der Gründungsdirektor des Instituts für nachhaltige Wasserstoffwirtschaft (INW) am Forschungszentrum Jülich, bewertet die Neuerungen in der Nationalen Wasserstoffstrategie positiv.
Welche Neuerungen sind Ihnen in der Fortschreibung der Nationalen Wasserstoffstrategie aufgefallen?
Peter Wasserscheid: Interessant ist, dass die heimische Erzeugung von Wasserstoff gestärkt werden soll. Das Ziel für heimische Elektrolysekapazität in 2030 wird von 5 Gigawatt auf mindestens 10 Gigawatt erhöht. Der restliche Bedarf soll durch Importe gedeckt werden. So soll insgesamt die Verfügbarkeit von grünem Wasserstoff sehr stark erhöht werden. Das ist ein starkes Signal. Um diesen Wasserstoff zu verteilen, wird ein Wasserstoff-Startnetz beschrieben, das in Deutschland Wasserstoff-Pipelines von 1800 Kilometer Länge umfassen soll. Dieses soll in ein europäisches Netz mit zusätzlich 4500 Kilometern eingebunden werden. Damit sollen große Industriestandorte mit hohen Verbräuchen ab 2030 mit Wasserstoff versorgt werden können. Das ist wichtig, weil so ein Wasserstoff-Absatzmarkt entsteht und die Erzeuger und Importhäfen mit den großen Verbrauchern im Land verbunden werden können.
An der Fortschreibung der Wasserstoffstrategie gibt es Kritik. Umweltverbände bemängeln, dass Arten der Wasserstoffproduktion mit einbezogen werden, die weniger nachhaltig sind als grüner Wasserstoff. Wie bewerten Sie das?
Als sinnvollen Pragmatismus. Das große Ziel ist klar: Wir wollen so schnell wie möglich so viel grünen Wasserstoff wie möglich produzieren. Aber gleichzeitig werden mit blauem, türkisem oder orangenem Wasserstoff Transformationspfade geöffnet, die wirtschaftlich sinnvoll sind und die auch Schritte auf dem richtigen Weg einer emissionsfreien Energieversorgung sind. Blauer Wasserstoff wird zwar unter Einsatz von Erdgas hergestellt. Das dabei erzeugte CO2 wird aber eingesammelt und beispielsweise unter dem Meer in alten Gaslagerstätten gespeichert. Es gelangt also nicht in die Atmosphäre und trägt damit nicht zum Klimawandel bei. Natürlich ist grüner Wasserstoff nachhaltiger, weil er ohne fossile Rohstoffe auskommt. Aber die anderen Wasserstoff-Arten ermöglichen mit vertretbaren Nebenwirkungen den schnelleren Hochlauf einer Wasserstoffwirtschaft, solange es nicht genügend grünen Wasserstoff gibt.
Das vollständige Interview auf der Website des Forschungszentrums Jülich: https://www.fz-juelich.de/de/aktuelles/news/pressemitteilungen/2023/interview-mit-peter-wasserscheid