Prädiktive Schadstoffmodellierung für turbulente Verbrennung mittels hochauflösender Simulationen
Der globale Energieverbrauch ist in den letzten Jahrzehnten stark gestiegen und wird auch zukünftig weiter zunehmen. Zur Deckung dieses Bedarfs stellen fossile Brennstoffe die wichtigste Primärenergie dar, die in industriellen Verbrennungsanlagen in Strom, Wärme oder mechanische Energie umgewandelt wird. In Verbrennungsprozessen höherer Kohlenwasserstoffe entstehen eine Reihe unerwünschter Nebenprodukte wie Ruß, unverbrannte Kohlenwasserstoffe (UHC), Kohlenmonoxid und Stickoxide (NOx). Aufgrund der unerwünschten Auswirkungen von Stickoxidemissionen auf die Umwelt existieren strenge gesetzliche Grenzwerte für deren Ausstoß, was wiederum hohe Anforderungen an moderne Verbrennungssysteme stellt.
Ein vielversprechender und weit verbreiteter Ansatz zum Erreichen dieser Grenzwerte ist die Entwicklung und Regelung moderner Verbrennungssysteme mittels computergestützter Simulationen (CFD), die ihrerseits auf prädiktiven Modellen für die Bildung von Stickoxiden basieren.
Die turbulente Verbrennung ist ein komplexer und stark nicht-linearer Mehrskalenprozess, dessen Modellierung eine große Herausforderung darstellt. Die Modellierung benötigt Daten aus turbulenten Flammen wie z. B. räumlich- und zeitlich aufgelöste Speziesmassenbrüche. Da solche Messwerte experimentell nur schwer und mit nicht vermeidbaren Unsicherheiten generiert werden können, werden immer häufiger Daten aus direkten numerischen Simulationen (DNS) herangezogen. DNS von turbulenter Verbrennung ist mittlerweile ein wichtiges Gebiet in der Verbrennungsforschung als Ergänzung zu theoretischen und experimentellen Arbeiten.
In DNS werden die Erhaltungsgleichungen für Strömung und Chemie ohne jegliche Modellierungsannahmen direkt gelöst und alle relevanten Zeit- und Längenskalen vom kleinsten Wirbel und der schnellsten Reaktion bis zu integralen Längenmaßen aufgelöst. Aufgrund der weiten Skalenseparation in turbulenten Strömungen ist DNS allerdings sehr aufwendig und rechenintensiv, jedoch ermöglicht die rasante Entwicklung von Hochleistungsrechnern immer realistischere DNS mit wachsendem Praxisbezug.
Auch wenn heutzutage noch keine DNS von realistischen Brennkammern durchgeführt werden können, machen der hohe Detailgrad, klar definierte Rand- und Anfangsbedingungen und die Kenntnis aller beliebigen Größen DNS Daten sehr nützlich und wertvoll für die Verbrennungsmodellierung. Beispielsweise sind zeitlich und räumlich aufgelöste Statistiken von zentralen Größen wie Reaktionsraten, höhere Momente oder Korrelationsfunktionen kaum experimentell messbar, während diese in DNS vorliegen und eine sehr systematische Analyse und Modellbildung ermöglichen.
Im Rahmen eines ausgewählten Gauss-Projekts am Leibniz-Rechenzentrum in München, wurde am Institut für Technische Verbrennung an der RWTH Aachen University, geleitet von JARA-ENERGY Mitglied Prof. Heinz Pitsch, eine sehr große DNS einer mageren vorgemischten Methan/Luft Freistrahlflamme durchgeführt. Diese Simulation stellt eine idealisierte Betrachtung eines vorgemischten Flammenelements einer Brennkammer dar und soll Gasturbinenbedingungen nachahmen.
Im Gegensatz zu vielen anderen DNS beruht diese auf einer hochgenauen Beschreibung der Brennstoffoxidation und Schadstoffbildung. Weiterhin entwickelt sich die Turbulenz natürlich in einer Scherschicht und erfordert so keine künstliche Anregung. Um eine hohe Auflösung von Turbulenz und Flamme zu gewährleisten und auskonvergierte Statistiken zu gewinnen, wurde das Rechengebiet mit fast drei Milliarden Gitterpunkten diskretisiert, was zusammen mit dem zugrunde liegenden chemischen Reaktionsmechanismus zu etwa 100 Milliarden Freiheitsgraden führt. Nach erfolgreichen Skalierungstests wurde die Simulation auf 65536 Prozessoren auf dem SuperMUC Supercomputer durchgeführt.
Die insgesamt benötigte Rechenzeit betrug 40 Millionen Prozessorstunden. Eine Momentaufnahme der Flamme, kurz nachdem die Flamme die Scherschicht erreicht hat, ist in Abbildung 1 zu sehen.
Im ersten Schritt wurde die Stickoxidbildung in verschiedene Bildungspfade aufgeteilt und in einem Flussdiagram in Abbildung 2 sichtbar gemacht. Diese Analyse verdeutlicht den Vorteil von DNS Daten gegenüber experimentellen Daten, da ein so detaillierter Blick auf die einzelnen Bildungsmechanismen und das Verfolgen einzelner N Atome bei der NO Bildung mit experimentellen Daten nicht möglich ist. Eine wichtige Erkenntnis dieser Analyse ist, dass für die untersuchten Bedingungen die Bildung durch den thermischen und den NNH Pfad am wichtigsten ist.
Während der thermische Bildungspfad gut verstanden ist und durch hohe Temperaturen in Gang gesetzt wird, ist die Bedeutung der NNH Pfads in mageren Vormischflammen bisher unklar. Deshalb wurde der NNH Pfad und seine einzelnen Reaktionen genauer analysiert. Es zeigt sich, dass der größte Fehler bei Reaktionen auftritt, in denen das Wasserstoffradikal zusammen mit Stickstoff NNH bildet. Dies wiederum bedeutet, dass das Wasserstoffradikal eine zentrale Rolle für den NNH Pfad spielt und seine hohe Diffusivität die Ursache für die Entkopplung der NO Bildung von der Wärmefreisetzungsrate ist. Dieser physikalische Effekt lässt sich sehr gut in Abbildung 3 beobachten. Zu sehen ist, dass die Wärmefreisetzungsrate stark mit der Fortschrittsvariable korreliert. Der NO Quellterm hingegen weist Strukturen auf, die weder für die Fortschrittsvariable noch für die Wärmefreisetzungsrate erkennbar sind. Diese Strukturen lassen sich jedoch im Massenbruch des Wasserstoffradikals wiederfinden, und da dieser durch das Auftreten differentieller Diffusion unabhängig von der Fortschrittsvariable ist, spielt er zusätzlich zur Fortschrittsvariable eine entscheidende Rolle für die NO Bildung.
Abbildung 3: Konturen von Fortschrittsvariable, Wärmefreisetzungsrate, NO Quellterm und Wasserstoff Massenbruch in einer ausgewählten Schnittebene.