Geschmiedete Hohlwellen für Windkraftanlagen
Um eine weitere Effizienzsteigerung von Windkraftanlagen zu ermöglichen, ist während der letzten Jahre die Größe der Anlagen deutlich angestiegen. Dies zeigt sich insbesondere in einer Steigerung des Rotordurchmessers und der Nabenhöhe, sodass heutzutage Windanlagen mit einer Nabenhöhe von 150 m und einem Rotordurchmesser von 100 m keine Seltenheit mehr sind. Die größere Leistung der Anlagen von bis zu 6 MW erfordert zugleich einen größeren Generator im Maschinenhaus oben auf dem Turm. Dies führt zu einer erheblichen Steigerung des Gewichts des Maschinenhauses (heute bis zu 400 Tonnen). Da dadurch auch der gesamte Turm der Anlage deutlich massiver ausgelegt werden muss, bietet die Identifizierung und Umsetzung von Leichtbaupotentialen hier besondere Chancen, eine wirtschaftlich vertretbare Bauweise der Anlagen sicherzustellen.
Abbildung 1: Windkraftanlagen [Quelle: RePower]
Abbildung 2: Generatorwelle [Quelle: Bundesverband Windenergie]
Leichtbaupotential in Windkraftanlagen
Ein Ansatzpunkt besteht darin, die konventionell durch Gießen hergestellte Generatorhohlwelle (Gewicht ca. 20 Tonnen) durch eine freiformgeschmiedete Hohlwelle zu ersetzen. Gegenüber dem Gießen bietet die Herstellung durch Freiformschmieden den Vorteil, dass durch die Warmumformung des Werkstoffes ein feinkörniges Gefüge mit guten mechanischen Eigenschaften erzielt werden kann. Zudem wird die zerstörungsfreie Prüfbarkeit mittels Ultraschall verbessert. Somit könnten geschmiedete Hohlwellen bei gleicher mechanischer Festigkeit mit einem um ca. 50-60 % reduziertem Gewicht gefertigt werden, wie in Tabelle 1 beispielhaft dargelegt wird.
Diese Thematik wird im von DFG und CAPES geförderten Forschungsprojekt „Forged Hollow Shafts for Wind Power Plants“ der brasilianisch-deutschen Forschungskooperation BRAGECRIM erforscht.
Tabelle 1: Beispielrechnung zum Leichtbaupotential in Windenergieanlagen
Optimierung des Freiformschmiedens von Hohlwellen
Zunächst wurde untersucht, welche Werkzeuggeometrien und welche Prozessabfolge am besten geeignet sind. Auf Grundlage numerischer Simulationen und praktischer Versuche wurde ein flacher Obersattel und V‑förmiger Untersattel ausgewählt. Die zu schmiedende Hohlwelle wird während des Prozesses von einem Schmiededorn gehalten. Der Obersattel presst auf das Werkstück herunter und reduziert dabei die Höhe.
Im Hinblick auf die resultierenden Eigenschaften des Bauteils ist die Mikrostruktur von entscheidender Bedeutung. Eine feinkörnige, homogen verteilte Korngröße stellt gute mechanische Eigenschaften des Bauteils sicher. Zur simulativen Vorhersage der Mikrostruktur wurden Modelle zur Rekristallisation und Kornwachstum aufgenommen und in das numerische Simulationsmodell integriert. Um das Simulationsmodell und die Mikrostrukturberechnung zu validieren, wurden Schmiedeversuche durchgeführt und mit identisch nachgebildeten Simulationen verglichen. Dabei ergab sich eine gute Übereinstimmung zwischen Simulation und Versuch.
Abbildung 3: Schmieden einer Hohlwelle am IBF
Ein weiterer Schritt bestand darin, den Prozess im Hinblick auf die Mikrostruktur zu optimieren. Hierbei sollten die Schmiedeparameter ermittelt werden, die zum Erreichen verbesserter Bauteileigenschaften verwendet werden.
Skalierung auf den industriellen Maßstab
Um die Untersuchungen vom Labormaßstab auf einen industriell realistischen Maßstab zu übertragen, wurde numerisch das Schmieden einer Hohlwelle mit einem Gesamtgewicht von 20 Tonnen untersucht. Dabei zeigte sich, dass der Einfluss der einzelnen Prozessgrößen für den industriellen Maßstab im Vergleich zur skalierten Ausführung auf Labormaßstab sehr ähnlich ist und es wichtig ist, eine geeignete Prozessabfolge zum Erreichen einer homogenen und feinkörnigen Mikrostruktur zu wählen. Die hierzu notwendigen Prozessparameter wurden mittels numerischer Simulationen ermittelt und erlauben so die direkte Übertragbarkeit des Prozesses für eine industrielle Schmiedung.
Auf Grundlage der numerischen und experimentellen Untersuchungen konnte so die Anwendbarkeit des Hohlwellenschmiedens für den Leichtbau in Windkraftanlagen nachgewiesen werden. Durch den Einsatz freiformgeschmiedeter Hohlwellen ist eine Gewichtsreduktion von 50-60% gegenüber gegossenen Hohlwellen möglich, was somit einen wichtigen Beitrag zur weiteren kosteneffizienten Entwicklung der Windenergie leisten kann.
Information
Das Institut für Bildsame Formgebung wird geleitet von JARA-Energy Mitglied Prof. Gerhard Hirt.
Ansprechpartner für das Projekt:
Martin Wolfgarten M.Sc.
Institut für Bildsame Formgebung der RWTH Aachen
Intzestraße 10
52056 Aachen
Tel.: +49 241 80-97624
Fax: +49 241 80-92234
Mail: wolfgarten@ibf.rwth-aachen.de
Web: http://www.ibf.rwth-aachen.de