Mehr Netzstabilität durch interkontinentale Kooperation
Forscher koppeln zehn Simulatoren für eine transatlantische Echtzeitsimulation
„Im Projekt ‚Global Real-Time Super Lab‘ bringen Wissenschaftler aus den USA und aus Europa ihr Wissen, ihre Erfahrungen und ihre leistungsfähigsten Echtzeitsimulatoren zusammen, um die globalen Netze der Stromversorgung fit zu machen für die gewaltigen Herausforderungen der Zukunft.“ Professor Antonello Monti (JARA-ENERGY) vom Institute for Automation of Complex Power Systems (ACS) des E.ON Energy Research Centers der RWTH Aachen fasst in einem Satz zusammen, woran zahlreiche Forscher in einer beispiellosen transatlantischen Kooperation gemeinsam arbeiten. In den USA sind drei nationale Forschungseinrichtungen und drei Universitäten beteiligt, den europäischen Part übernehmen die Politecnico di Torino in Italien und ACS. Untersucht wird unter anderem, wie ein Daten- und Energieaustausch auch über große Distanzen dazu genutzt werden kann, Stromangebot und -nachfrage im Gleichgewicht zu halten und großflächige Blackouts zu vermeiden, zumindest aber deren Dauer und Folgen abzumildern. Derzeit funktionieren solche Systeme allenfalls im kontinentalen Maßstab. Letztlich haben die Wissenschaftler eine gemeinsame Vision: die Entwicklung eines zuverlässigen und gegen äußere Einwirkungen weitgehend geschützten – resilienten – globalen Versorgungsnetzes mit Gleichstrombrücken zwischen den Kontinenten und Systemen.
Ob und wie so etwas funktionieren kann, haben die Projektpartner mithilfe ihrer Hochleistungs-Echtzeitsimulatoren Ende September erfolgreich demonstriert. ACS verfügt in diesem Projekt mit den Simulatoren RTDS und Opal-RT über die höchste Kapazität, die übrigen Partner waren mit ähnlichen Simulatoren der gleichen Hersteller beteiligt. Möglich wurde die transatlantische Co-Simulation mithilfe von VILLASframework, einer Software, die am ACS entwickelt und vor einigen Jahren im Rahmen eines Projekts von JARA ENERGY im Raum Aachen/Jülich zur Vernetzung von Ressourcen getestet wurde. VILLASframework ermöglicht die Kommunikation der Simulatoren untereinander, steht als Open-Source-Software allen Beteiligten kostenlos zur Verfügung und wird von diesen permanent weiterentwickelt.
Simuliert wurde im Verlauf der in diesem Umfang bisher einmaligen Demo mithilfe von insgesamt zehn Echtzeitsimulatoren ein interkontinentales Netz mit einer leistungsstarken virtuellen Hochspannungs-Gleichstromverbindung zwischen den USA und Europa. Die Rechnerkapazitäten in Aachen wurden für die Simulation der Transportnetze genutzt, in Turin ging es um das Verhalten von Mittelspannungsnetzen. Auf amerikanischer Seite wurden in den Echtzeitsimulatoren arbeitsteilig Transport-, Mittelspannungs- und Verteilnetze sowie per Hardware-in-the-Loop-Verfahren die Einbindung lokaler Stromerzeugung mit realen Photovoltaik- und Windkraftanlagen abgebildet. Untersucht wurde auch, ob und in welchem Ausmaß zeitliche Unterschiede bei der Stromerzeugung aus Erneuerbaren zur interkontinentalen Netzstabilisierung genutzt werden können.
Im Projekt „Global Real-Time Super Lab“ arbeiten insgesamt zehn Echtzeitsimulatoren unterschiedlicher Bauart an acht Forschungsstandorten in Europa und den USA zusammen. Das hat es sowohl hinsichtlich der Distanzen als auch der Anzahl der Simulatoren bisher noch nicht gegeben. Bildquelle: ACS am E.ON ERC
Alle beteiligten Wissenschaftler sind sich einig in der positiven Beurteilung der Ergebnisse dieser ersten transkontinentalen Demonstration in Echtzeit und wollen das System gemeinsam weiterentwickeln. Wichtiger noch: Auch die eingeladenen potenziellen Förderinstitutionen zeigten sich sehr angetan. Interesse an der Fortführung der Arbeiten ist jedenfalls geweckt.
Naturgemäß beschränkt sich die transatlantische Kooperation angesichts noch fehlender Leitungsverbindungen zwischen den kontinentalen Netzen bisher auf den Austausch von Erfahrungen im Umgang mit Störungen und auf Steuerungsaspekte, aber die hier gewonnenen Erkenntnisse, darin sind sich Wissenschaftler und potenzielle Nutzer einig, sind auch für den Betrieb großräumiger kontinentaler Versorgungsstrukturen von nicht zu unterschätzender Bedeutung. Kleiner, aber nicht zu unterschätzender Nebeneffekt: Europäische Hersteller von Anlagen zur Stromerzeugung aus Erneuerbaren können ihre Hardware-Komponenten mithilfe des Real-Time Super Labs per Simulation auf deren Eignung für den US-Markt testen.
Eine Pressemitteilung des E.ON Energy Research Center
Kontakt:
Prof. Antonello Monti, Ph. D,
Lehrstuhl für Automation of Complex Power Systems
E.ON Energy Research Center
Matthieustraße 10
52074 Aachen
Tel.: +49 241 80 49700
Mail: post_acs@eonerc.rwth-aachen.de