Quantifizierung physikalisch-chemischer Eigenschaften von Energiespeichern im Untergrund
Etwa 80 % des augenblicklichen Primärenergieverbrauchs in Deutschland wird durch die fossilen Energieträger Kohle, Öl und Gas abgedeckt. Deren hohe volumetrische Energiedichte erlaubt es, große Energiemengen (zwischen) zu speichern was bisher weitgehend aus strategischen Gründen erfolgte. In Zukunft wird die Speicherung aber an Bedeutung gewinnen, und zwar nicht nur aus strategischen Gründen sondern auch zum Ausgleich der fluktuierenden Produktion der wichtigsten erneuerbaren Energiequellen Sonne und Wind. Diese haben eines gemeinsam: kurzfristige und langfristige saisonale Schwankungen, keine verbrauchsorientierte Produktion und weitgehend fehlende Speichermöglichkeiten der Primärenergie und des erzeugten Stroms.
Abb. 1: Untergrundspeicher in Salzkavernen (links) und Porenspeichern (rechts). Zur Abschätzung der Dichtigkeit der Speicher wird die Mikroporenstruktur von Salz (Fluidfilm auf Korngrenzen, links unten) und Ton (Porenstruktur, rechts unten) mit einem BIB-Cryo-Rasterelektronenmikroskop untersucht (siehe Text). Speichermodelle (verändert) mit frdl. Genehmigung und Copyright von KBB Underground Technologies GmbH.
Die Speicherung von Energie spielt somit eine Schlüsselrolle in der augenblicklichen Umstrukturierung der Energiesysteme. Energiespeicher und im Speziellen Stromspeicher dienen der zunehmenden zeitlichen Entkopplung von Erzeugung und Verbrauch und müssen große Energiemengen teilweise über längere Zeiträume flexibel aufnehmen und wieder abgeben können. Die Umwandlung von elektrischer Energie unter den Stichworten „Strom zu Gas („power to gas“) in Wasserstoff, Methan und Methanol dient zur Nutzung außerhalb des Stromsektors (Mobilität, Wärme, chemische Industrie) und kann ebenso die Rückumwandlung in elektrische Energie nach entsprechender Zwischenspeicherung beinhalten. Mit der Wandlung von Strom zu Wärme („power to heat“) und deren Speicherung kann nicht benötigter Strom zur Deckung des Wärmebedarfs beitragen. Beide Stromwandlungen erfordern zyklisch zu beladende und zu entladende Speicher, für die im Untergrund attraktive Möglichkeiten bestehen.
Zukünftige Energieszenarien erfordern daher eine starke Erweiterung der „mechanischen“ Speicherkapazitäten im Untergrund Deutschlands. Prinzipiell kommen als Untergrundspeicher hauptsächlich Salzkavernen und Porenspeicher (Abb. 1) sowie Felskavernen und ehemalige Bergwerke in Frage. Optionen für die großvolumige Speicherung und Netzeinspeisung von Strom bieten vor allem Wasserstoff- und Druckluftspeicher, angelegt in Salzkavernen. Das in den Niederlanden, Deutschland und Polen im Untergrund auftretende Salz zählt zu den weltweit großen Salzvorkommen. Dort angelegte Kavernen bieten aufgrund der Abdichteigenschaften von Salz somit ein großes Speicherpotenzial.
Allgemein anerkannte Bewertungskriterien dafür, ob ein Speicher als Energiezwischenspeicher oder auch zur Endlagerung (CO2, Abfall etc.) genutzt werden kann, existieren bisher nicht. Forschungsthemen behandeln deshalb vorrangig die Anforderungen an geologische Formationen im Hinblick auf die grundlegende Eignung als Speicher in Abhängigkeit von den jeweiligen Speichermedien (Wasserstoff, Methan, Wärme).
Wichtige Parameter beinhalten vor allem die Geometrie, den physikalisch-chemischen Zustand des Speichers (Temperatur, mechanisches Spannungsfeld), die Dichtigkeit der Speicherformationen und der abdichtenden Formation (Porosität, Permeabilität) sowie die Dichtigkeit der Zugangsbohrungen. Die chemischen Wechselwirkungen des Einlagerungsmediums mit dem Wirtsgestein und Fluiden im Speicher werden vor allem im Hinblick auf die Speichersicherheit untersucht.
Der Quantifizierung der Speichereigenschaften kommt deshalb eine Schlüsselrolle bei der Suche nach geeigneten Untergrundspeichern zu. Die Kopplung zwischen mikrostruktureller Entwicklung, poro-mechanischem Verhalten und dem Fluidinhalt ist bisher nicht gelungen. Diese spielt jedoch eine entscheidende Rolle bei der Anwendung geeigneter Stoffgesetze bei der Beschreibung langfristiger mechanischer und chemischer Eigenschaften von Speichersystemen.
Die Charakterisierung der Porosität, Permeabilität und der Mikrostrukturen in Gesteinen muss die unterschiedlichen Materialeigenschaften und damit die gegenseitigen Abhängigkeiten von Fluidfluss, Kapillarprozessen und mechanischem Verhalten berücksichtigen. Bei derartigen Untersuchungen spielt die Auflösung des Porenraumes und die Skalierbarkeit eine entscheidende Rolle. Typische Mikrostrukturen bei geologischen Materialien schwanken im Maßstab zwischen Nanometern und mehreren hundert Mikrometern. Internationale Untersuchungen der EMR-Gruppe der Fakultät 5 konzentrieren sich deshalb verstärkt auf die bessere Auflösung dieses Größenspektrums (siehe „BIB-SEM“ in Abb. 2) bei gleichzeitiger Quantifizierung der mechanischen Eigenschaften und des Fluidinhalts. Hierbei wird ein neues, hochauflösendes, DFG-finanziertes Elektronenmikroskop mit einem Argon-Ionen-Laser und einer kryogenen Kammer kombiniert (BIB-cryo-SEM). Die kryogene Einheit ermöglicht die Detektion von Fluiden in ihrer natürlichen Umgebung (Abb. 1) und verhindert gleichzeitig die sonst übliche Austrocknung der Proben, die natürlich angelegte Mikrostrukturen zerstört. Diese Methodik erlaubt erstmals die hochauflösende (Abb. 1) und quantitative Analyse niedrig poröser und permeabler Gesteine (Desbois et al., 2013). Anwendungen erstrecken sich von der Charakterisierung von Energiespeichern und möglichen Zwischen- und Endlagern hin zur Wirtschaftlichkeit von dichten Öl- und Gaslagerstätten.
Abb. 2. Überblick mikroskopischer Methoden, die zur Untersuchung von Mikrostrukturen in Gesteinen eingesetzt werden. Prinzipiell können Bereiche vom atomaren bis hin zu Meter-Maßstäben untersucht werden. Die Darstellung zeigt typische Mikrostrukturmaßstäbe im Verhältnis zu ihrer Querschnittsfläche (Cross-section area) und den möglichen 2D (XY) und 3D (Z) Auflösungen. TEM, transmission electron microscope; SEM, scanning electron microscope; FIB, focused ion beam (Ga+ and Xe-plasma ion sources); BIB, broad ion beam; NMR, nuclear magnetic resonance; Clast (Gesteinsfragment); Core (Bohrkerne) Cutting (Bohrklein); Pore throat (Porenhals). Aus: Desbois et al. (2013), mit frdl. Genehmigung von Journal of Microscopy, Royal Microscopical Society.
Auskünfte erteilt: Prof. Peter Kukla, EMR-Gruppe der Fakultät 5, peter.kukla@emr.rwth-aachen.de, siehe auch http://www.emr.rwth-aachen.de
Desbois, G. Urai, JL, Pérez-Willard, F. Radi, Z., Offern, S., Burkart, I., Kukla, P.A., Wollenberg, U. (2013). Argon broad ion beam tomography in a cryogenic scanning electron microscope: a novel tool for the investigation of representative microstructures in sedimentary rocks containing pore fluid. Journal of Microscopy, 249(3):215-35, DOI:10.1111/jmi.12011.