Neue Studie: „Atypische“ Antipsychotika - Am Ende doch die bessere Wahl?
Psychische Erkrankungen werden in aller Regel in einer Kombination aus medikamentöser und psychotherapeutischer Versorgung behandelt. Bei den medikamentösen Eingriffen stellt sich wie in allen anderen Fächern immer wieder die Frage, wie wertvoll neue Medikamente wirklich sind. Bei der Behandlung von Schizophrenien gibt es eine Unterteilung zwischen „klassischen“ Antipsychotika (FGA) und „atypischen“ oder auch „second generation“ Antipsychotika (SGA). In viel beachteten Publikationen in der jüngeren Vergangenheit, wurde der Nutzen der beiden Medikamentengruppen gegeneinander abgewogen.
Allgemein wird seither angenommen, dass die neueren SGAs keine klinisch signifikanten Vorteile gegenüber FGAs bieten. So wird in der neuesten Version der britischen Behandlungsleitlinien keinerlei Empfehlung für eine Substanzgruppe oder gar eine einzelne Substanz ausgesprochen.
Dem steht allerdings die Beobachtung gegenüber, dass die Verordnungen von SGAs in den letzten mehr als zehn Jahren – nicht nur in Deutschland – erheblich zugenommen haben. Ist dies nur das Ergebnis von besonders effektivem Marketing der pharmazeutischen Industrie?
Die Debatte könnte jetzt neu entfacht werden mit der Publikation der „Neuroleptic Strategy Study“ (NeSSy) in der Lancet Psychiatry (Gründer et al., online veröffentlicht am 2. Juni 2016). In dieser an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik von Professor Dr. Gerhard Gründer geleiteten multizentrischen, vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Studie wurden zwei FGAs (Flupentixol und Haloperidol) mit drei SGAs (Aripiprazol, Olanzapin, Quetiapin) in einem doppelblinden Design über die Behandlungsdauer von 24 Wochen verglichen. Die Industrie stellte lediglich die Medikation zur Verfügung, sie war weder am Studiendesign noch an der Datenanalyse in irgendeiner Form beteiligt. Im Abstract der Publikation kommt Professor Gründer zu der folgenden grundsätzlichen Schlussfolgerung
„Die Verbesserung der von den Patienten berichteten Lebensqualität war signifikant höher bei Patienten mit Schizophrenie, die mit einem neueren atypischen Antipsychotika (SGA) behandelt wurden, als bei jenen, die ein klassisches Antipsychotikum (FGA) erhielten, wenn die Auswahl des Medikamentes individualisiert wurde. Dieser Vorteil muss jedoch gegen die möglichen negativen metabolischen Effekte einiger SGAs abgewogen werden.“
Gerade bei der Behandlung psychischer Erkrankungen ist möglicherweise die Beurteilung der Wirksamkeit eines Medikamentes nur aufgrund klinischer Einschätzung der Behandler nicht ausreichend – der durch die Patienten und Patientinnen empfundene Effekt auf die Lebensqualität ist von größter Bedeutung.