Der Dynamik neuronaler Netzwerke auf der Spur
JARA-BRAIN Wissenschaftler liefern neue Erkenntnisse und Methoden
Unser Gehirn birgt viele Geheimnisse, denen sich die moderne Wissenschaft mit verschiedensten Methoden und Ansätzen anzunähern versucht. Eine in der Physik erfolgreiche Methode verhalf nun JARA-Wissenschaftlerinnen und -wissenschaftlern der RWTH Aachen und des Forschungszentrums Jülich zu einer Erkenntnis über eine bislang unbekannte Dynamik neuronaler Netzwerke.
Dynamik des Gehirns
Das Gehirn koordiniert alle Prozesse im Körper. Es sorgt dafür, dass Reize und Informationen verarbeitet werden und wir adäquat darauf reagieren. Damit diese Prozesse reibungslos ablaufen können, ist eine immense Leistung unserer Denkzentrale nötig. Dabei arbeitet eine Vielzahl von Neuronen parallel. Bisher ist man davon ausgegangen, dass Informationen besonders gut an sogenannten kritischen Punkten verarbeitet werden. Kritische Punkte sind Bereiche, in denen sich die Aktivitäten in kurzer Zeit schlagartig erhöhen. Solche kritischen Punkte treten jedoch verhältnismäßig selten auf.
Neuronen an- und ausschalten
Neue Ergebnisse des Forscherteams rund um die JARA-BRAIN Wissenschaftler Prof. Moritz Helias, Prof. Sonja Grün, Prof. Markus Diesmann und Dr. David Dahmen, zeigen nun, dass es eine weitere Form der Dynamik in neuronalen Netzwerken gibt, welche die Seltenheit der kritischen Punkte erklären kann. In Ihren Untersuchungen stellten die Forscherinnen und Forscher fest, dass es eine Form der Kritikalität gibt, bei der nicht nur Neuronen gleichzeitig aktiviert, sondern große Gruppen gezielt gehemmt werden. Die Möglichkeit, Neuronen „an- und auszuschalten“, eröffnet eine hohe Zahl von Kombinationen aus aktiven und inaktiven Neuronen. Das Wissenschaftlerteam vermutet, dass in dieser Kritikalität der Grund dafür liegt, dass unser Gehirn Informationen effektiv parallel verarbeiten kann.
Methoden der Physik in den Neurowissenschaften
Diese neuen Erkenntnisse stellten die Neurowissenschaftlerinnen und -wissenschaftler vor ein Problem. Durch das gezielte Aktivieren und hemmen einzelner Neuronen und Gruppen, bleibt die Zahl der aktiven Nervenzellen weitgehend konstant. Herkömmliche Verfahren zur Messung der Hirnaktivität, wie die Elektroenzephalografie (EEG) und dem lokalen Feldpotential (LFP), zeigen die Summe der Signale vieler Neuronen an. Da bei der entdeckten Dynamik die Anzahl nahezu gleich bleibt, können die beiden Verfahren die Kritikalität nicht nachweisen. Mittels einer Methode aus der Feld-Theorie, die in der Physik erfolgreiche Anwendung findet, konnten die Forscher dennoch experimentell überprüfbare Vorhersagen über den Zustand des neuronalen Netzwerks treffen.
Erkenntnisse für die Zukunft
Für zukünftige Untersuchungen bietet die Anwendung der Feldtheorie in den Neurowissenschaften einen ungeahnten Wert. Das Verfahren könnte Türen öffnen, um weitere Erkenntnisse über die Funktionsweise des Gehirns zu erlangen. Beispielsweise könnte die Methode im Rahmen des Human Brain Projects (HBP) Anwendung finden. Hier könnte sie dazu genutzt werden, die Daten auszuwerten und Vorgänge im Gehirn zu verstehen.
Die Untersuchungsergebnisse wurden jüngst in der Fachzeitschrift PNAS veröffentlicht. Zur Originalveröffentlichung
Weitere Informationen auf der Website des Forschungszentrums Jülich.