Wie der Atem die Aktivität des Großhirns beeinflusst
JARA-BRAIN Wissenschaftler haben festgestellt, dass Atmung und Hirnfunktion bei Mäusen stärker miteinander korrespondieren als bisher angenommen. Die Ergebnisse der Forschung wurden im international renommierten Fachmagazin „Nature Communications“ veröffentlicht.
Dr. Junji Ito arbeitet als Neurowissenschaftler in der Arbeitsgruppe "Statistical Neuroscience" bei der JARA-BRAIN Wissenschaftlerin Prof. Sonja Grün am Institut für Neurowissenschaften und Medizin im Forschungszentrum Jülich. Er hat in Zusammenarbeit mit amerikanischen Kollegen von der University of Tennessee herausgefunden, dass es eine starke Wechselwirkung zwischen dem Atemrhythmus von Mäusen und der Aktivität des Whisker Barrel Cortex gibt. Dies ist ein Areal im Gehirn von Mäusen, in dem die Signale ihrer Schnurrhaare verarbeitet werden. "Es war bereits bekannt, dass die Aktivität des Riechkolbens, also des für Gerüche zuständigen Gehirnareals, mit der Atmung korreliert. Da wir aber keinen Zusammenhang zwischen dem Whisker Barrel Cortex und der Atmung kannten, sind unsere Ergebnisse überraschend", erklärt Ito. Diese können perspektivisch auch dazu beitragen, die Rolle des Atems in der menschlichen Gehirnaktivität besser zu verstehen.
Beim Auswerten der Daten von Forschern der University of Tennessee entdeckte Ito, dass der Atemrhythmus mit der Deltafrequenz des lokalen Feldpotenzials zusammenhängt. Das Feldpotenzial entspricht der Summe der Aktivität der Synapsen in einem Kubikmillimeter Gehirn. Deltawellen sind niederfrequente (0.5-4Hz) Gehirnströme, die bei
Menschen wie auch bei Mäusen üblicherweise während des Schlafes auftreten – im Whisker Barrel Cortex von Mäusen jedoch auch im Wachzustand.
"Die Ergebnisse sind eindeutig: Mäuse atmen vier Mal pro Sekunde ein und aus, und darauf abgestimmt bilden die Deltawellen in jeder Sekunde vier Gipfel und Täler", erläutert der Jülicher Wissenschaftler. Der Zusammenhang beschränkt sich dabei nicht auf Deltawellen. Ito und Kollegen konnten ebenfalls zeigen, dass im Whisker Barrel Cortex auch Gammawellen (> 30 Hz) auftreten, die gewöhnlich bei starker Konzentration oder bei Lernprozessen gemessen werden. Diese Gammawellen, so das Ergebnis der Untersuchungen, sind an die Deltawellen und an die Atmung gekoppelt.
In weiteren Experimenten konnten die Forscher darüber hinaus zeigen, dass der Luftstrom durch die Nase die Wechselbeziehungen zwischen Atmung und neuronaler Aktivität im Barrel Cortex steuert. Inwieweit sich dies auch in weiteren Hirnarealen nachweisen lässt und ob dies auch beim Menschen auftritt, wird Gegenstand künftiger Forschungsprojekte sein. Sonja Grün geht davon aus, auch beim Menschen Zusammenhänge zu finden: "Die Rolle der Atmung ist bei der Meditation schon lange bekannt. Wir hoffen, mehr darüber herauszufinden, wie der Atem auf das Denkvermögen wirkt."
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