Geschmacksverstärker im Kopf? - Studie zu astrogliärem Glutamin
Physiologische synaptische Aktivität und das Wiedererkennungsgedächtnis erfordern astrogliäres Glutamin
Es steckt in vielen verschiedenen Gerichten und sorgt für einen herzhaften, würzigen Geschmack. Die Rede ist von Glutamat, dem Salz der Glutaminsäure. Glutamin ist aber auch eine Aminosäure, die aus Astrozyten, nicht-neuronalen Zellen im Gehirn, in den Extrazellulärraum freigesetzt wird und im Gehirn wichtige Aufgaben übernimmt. Ein Team aus Wissenschaftler:innen rund um JARA-BRAIN Mitglied Prof. Joachim Lübke hat nun die Rolle von astrogliärem Glutamin bei synaptischer Aktivität untersucht.
In Zusammenarbeit mit der Gruppe von Prof. Nathalie Rouach, College de France, Paris und Forschern um Prof. Joachim Lübke, JARA-BRAIN Institute, Decoding the human brain at systemic levels INM-10, Forschungszentrum Jülich ist der Nachweis gelungen, dass für synaptische Aktivität und das Wiedererkennungsgedächtnis Glutamin notwendig ist.
Glutamat ist der am häufigsten anzutreffende erregende Neurotransmitter im Zentral-nervensystem. Dementsprechend ist er an mannigfaltigen Funktionen unseres Gehirns beteiligt und eine Grundvoraussetzung für den reibungslosen Ablauf dieser Funktionen. Herrscht über einen längeren Zeitraum ein Überschuss an Glutamat im Gehirn, wandelt sich der eigentlich hilfreiche Neurotransmitter zu einem sehr starken Neurotoxin um, das zum Absterben von Neuronen führt. Der Abtransport von Glutamat stellt daher einen wichtigen Prozess im Gehirn dar. Astrozyten, nicht-neuronale Zellen im Gehirn, wandeln das Glutamat in Glutamin um und geben die Aminosäure wiederum in den synaptischen Spalt frei.
Bei hochaktiven Prozessen wie Epilepsie wird angenommen, dass dieser Prozess auf der Störung der Glutamat-Glutamin-Homöostase zwischen Neuronen und Astrozyten beruht. In der vorliegenden Studie wurde eine fluoreszierende Sonde generiert, die es in lebenden Zellen erlaubt, Glutamin zu detektieren und dessen Signalweg zu verfolgen. Das ermöglicht einen direkten visuellen Nachweis einer aktivitätsabhängigen Glutamin-Versorgung von astrogliären Netzwerken zu präsynaptischen Strukturen unter physiologischen Bedingungen. Diese Mobilisierung wird durch Connexin43 vermittelt, ein astrogliäres Protein, das an vielen biologischen Prozessen wie zum Beispiel der Muskelkontraktion oder Embryonalentwicklung beteiligt ist. Darüber hinaus ist das Protein Bestandteil der Gap-Junction- und Hemichannel-Funktionen, die die interzelluläre Kommunikation (GJIC) zwischen Zellen ermöglichen, um den Zelltod, die Vermehrung und die Differenzierung zu regulieren.
Die Ergebnisse dieser Studie decken eine essentielle Rekrutierung von astrogliärem Glutamin in der physiologischen synaptischen Aktivität und dem Gedächtnis über einen unkonventionellen Weg auf und deuten daher auf eine fundamentale Rolle von Astrozyten in kognitive Prozesse hin.
Die Originalveröffentlichung zu dieser Studie steht auf der Website von „nature communications“ zur Verfügung: https://www.nature.com/articles/s41467-022-28331-7